Die SCNAT und ihr Netzwerk setzen sich für eine nachhaltige Gesellschaft und Wissenschaft ein. Sie unterstützen Politik, Verwaltung und Wirtschaft mit Fachwissen und pflegen den Dialog mit der Öffentlichkeit. Sie stärken den Austausch über die wissenschaftlichen Disziplinen hinweg und fördern den akademischen Nachwuchs.

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«Die Leser sollen unseren Beiträgen vertrauen können»

Das Fazit ist bitter: Den Medien mangelt es zunehmend an Geld, Zeit und Personal für guten Journalismus. Viele Meldungen sind interessengesteuert, statt sorgfältig recherchiert. Wie können Gesellschaft und Wissenschaft den Qualitätsjournalismus fördern? Dies diskutierten Fachleute an der SCNAT-Veranstaltung «Die Wissenschaft braucht guten Journalismus!» am 25. Mai 2018.

Die Wissenschaft braucht guten Journalismus
Bild: Manu Friederich

Die Referentinnen und Referenten und das Publikum waren sich einig: Es bedarf dringend neuer Ansätze, um den Qualitätsjournalismus zu stärken. Journalistische Beiträge müssen wieder in die Tiefe gehen, komplexe Zusammenhänge aufzeigen und Fakten in ihren Kontext einordnen. Es ist Zeit, bestehende Geschäftsmodelle zu überdenken. Forschende und Medienschaffende müssen vermehrt zusammenarbeiten – als Wissensarbeiter im Dienst der Demokratie. Gleichzeitig dürfen sie ihre unterschiedlichen Rollen nicht preisgeben.

Falschinformationen bedrohen die Demokratie

Laut Mark Eisenegger werden gehaltvolle Analysen in den Medien zusehends von Soft-News verdrängt. Der Direktor des Forschungsinstituts «Öffentlichkeit und Gesellschaft» der Universität Zürich sieht den Grund in den grossen Finanzierungsproblemen, welche die meisten Verlagshäuser plagen. Digitalisierung und Globalisierung haben das Geschäft grundlegend verändert. Eisenegger sieht die Demokratie zudem durch die Gratispresse und die sozialen Medien ernsthaft gefährdet. Diese verbreiteten falsche Informationen und Verschwörungstheorien leicht und rasch.

Gegen solchen Fastfood-Journalismus helfen nicht nur hochwertige Informationen, sondern ein ebensolches Bildungswesen, sagt Patrick Vallélian. Er ist Chefredaktor des Webmagazins für Slow-Journalismus «Sept.info». Journalistinnen und Journalisten müssten wieder Gefallen finden an der sorgfältigen Recherche. «Viele Redaktoren haben das verloren», moniert er. «Sie denken nur noch an Messgrössen wie Reichweite oder Klickraten.» Olivia Kühni, Chefin «Analyse und Wissenschaft» beim frisch lancierten Online-Magazin «Republik» ergänzt: «Wir wollen weder die Finanzen noch die Werbung optimieren, sondern die Treue unserer Leserinnen und Leser. «Sie sollen unseren Beiträgen vertrauen können.»

Neue Formen, andere Finanzierungsmodelle

An welches Publikum richten sich die neuen journalistischen Ansätze wie Sept.info und Republik? Sie sprechen ein Publikum an, das Online-Formate nutzt. Das Wissenschaftsmagazin «Higgs» ist ein weiteres Beispiel. Laut der leitenden Redaktorin Santina Russo will die Online-Plattform Wissen für alle anbieten. Higgs verbreitet seine Inhalte unter anderem über die News-Kanäle blick.ch und nau.ch sowie gedruckt in diversen Regionalzeitungen und im Blick am Abend. In den sozialen Medien kommt das Magazin gut an und erreicht dort insbesondere die Altersgruppe der 18- bis 25-Jährigen. Higgs finanziert seine Inhalte nicht über Werbung. Zurzeit versucht man die Stiftung «Wissen für alle» aufzubauen, die eine dauerhafte Finanzierung ermöglicht.

Auch die Schulen müssten das Interesse an qualitativ hochstehenden Informationen fördern, findet ein Zuhörer. Man müsse die Jungen zudem gezielt auf den sozialen Medien ansprechen, zum Beispiel über Youtube. Denn viele konsumierten News nur noch über solche Kanäle und seien dort konstant minderwertigen Inhalten ausgesetzt.

Die Schweizer Medien erhalten an der Tagung für ihre Qualität momentan noch gute Noten. Beklagt wird dagegen die fortschreitende Konzentration auf immer weniger Pressetitel. Diese bedrohe die Meinungsvielfalt. Damit eine Demokratie funktioniere, brauche es aber den Wettstreit verschiedener Ansichten. Medienerzeugnisse, die eine Rubrik «Wissenschaften» mit entsprechenden Artikeln anböten, seien zudem rar geworden, lautet ein weiteres Fazit. Santina Russo von Higgs erklärt sich das mit den knappen Ressourcen. Die Redaktionen setzten diese lieber für politische, ökonomische, gesellschaftliche und kulturelle Themen ein. Um das Finanzierungsproblem zu entschärfen, müsse der Bund seine Medien-Subventionen gerechter aufteilen, finden die anwesenden Journalistinnen und Journalisten.

Selbstzufriedene Hochschulen

Der Präsident der SCNAT, Marcel Tanner, bedauert, dass die Hochschulen heutzutage ihrer Vermarktung so viel Aufmerksamkeit widmen. Er stellt auch eine gewisse Selbstzufriedenheit fest. Tanner plädiert für einen Kulturwandel bei der Wissenschaftskommunikation. Er ermuntert Medienschaffende und Forschende, direkt zusammenzuarbeiten. Dies könne ein heilsamer Weg für beide bedeuten, so Tanner. Wichtig sei aber, dass jeder seine Unabhängigkeit behalte, betont Santina Russo. Diese sei für Journalisten essenziell, um klar zwischen journalistischen Inhalten und Paid Content zu unterscheiden.

Armin Müller, Mitglied der Chefredaktion von Tamedia, anerkennt, dass wissenschaftliche Themen in den Medien wichtig sind und bedauert deren Abnahme ebenfalls. Gewisse Bereiche seien aber wohl einfach zu komplex. Wenn die Leserinnen und Leser keine direkten Anknüpfungspunkte zu ihrem täglichen Leben fänden, interessierten sie sich wenig. Inhalte zu Gesundheit oder Klima etwa seien gut zu vermitteln. Müller fordert die Wissenschaft zudem auf, ihre Themen besser zu «verkaufen». Als Beispiel nennt er Videos. Auf den Newskanälen von Tamedia würden solche sehr häufig angeschaut.

SCNAT-Präsident Marcel Tanner stellt zum Schluss fest, dass die Suche nach neuen Lösungen nicht alleine die Schweiz betreffe, sondern die ganze Welt.

Tagungsbericht von Rina Wiedmer

  • Jürg Pfister, SCNAT-Generalsekretär
  • Hanna Wick, Moderatorin
  • Mark Eisenegger, Universität Zürich
  • Olivia Kühni, Republik
  • Patrick Vallélian, Sept.info
  • Santina Russo, Higgs
  • Diskussionsrunde
  • Marcel Tanner, SCNAT-Präsident
  • Podiumsdiskussion
  • Armin Müller, Tamedia
  • Publikum
  • Jürg Pfister, SCNAT-GeneralsekretärBild: Manu Friedrich1/11
  • Hanna Wick, ModeratorinBild: Manu Friedrich2/11
  • Mark Eisenegger, Universität ZürichBild: Manu Friederich3/11
  • Olivia Kühni, RepublikBild: Manu Friederich4/11
  • Patrick Vallélian, Sept.infoBild: Manu Friederich5/11
  • Santina Russo, HiggsBild: Manu Friederich6/11
  • DiskussionsrundeBild: Manu Friederich7/11
  • Marcel Tanner, SCNAT-PräsidentBild: Manu Friederich8/11
  • PodiumsdiskussionBild: Manu Friederich9/11
  • Armin Müller, TamediaBild: Manu Friederich10/11
  • PublikumBild: Manu Friedrich11/11
Referat von Santina Russo (Higgs)

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