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Bilder der Teilchenphysik

Valerio Jalongos Dokumentarfilm 'CERN und der Sinn für Schönheit'

In diesen Tagen kommt der schweizerisch-italienische Dokumentarfilm 'CERN und der Sinn für Schönheit' in ausgewählte Schweizer Kinos. Das Werk des italienischen Regisseurs Valerio Jalongo verbindet Bilder aus dem Teilchenphysik-Forschungslabor mit Naturaufnahmen und Kunstwerken zu einer subjektiven und auch eigenwilligen Meditation über Erkenntnis und Schönheit.

CERN & Beauty photo

Vor vier Jahren brachte der US-amerikanische Filmregisseur und Physiker Mark Levinson den Dokumentarfilm 'Particle Fever' (link) heraus. Der Film beruhte im Wesentlichen auf Gesprächen mit einer Reihe von CERN-Physikerinnen und -Physikern, die zur aufsehenerregenden Entdeckung des Higgs-Teilchens im Jahr 2012 beigetragen hatten. Jetzt befasst sich abermals ein Film mit der physikalischen Forschung am CERN. Die schweizerisch-italienische Koproduktion mit dem etwas plakativen Titel 'CERN und der Sinn für Schönheit' stammt von dem 1960 in Rom geborenen Regisseur und ausgebildeten Philosophen Valerio Jalongo. Wie 'Particle Fever' hat der Film den Anspruch, nicht nur wissenschaftliche Arbeit darzustellen, sondern auch nach deren gesellschaftlicher Bedeutung zu fragen.

Assoziationen statt Erzählstrang

Trotz den gemeinsamen Ansatzes nähern sich die beiden Filme Naturwissenschaft und Forschung auf sehr unterschiedliche Weise: 'Particle Fever' hatte eine erkennbare Dramaturgie. Diese ergab sich aus den mehrjährigen, von manchem Hindernis verstellen Bemühungen, die schliesslich 2012 zum experimentellen Nachweis des schon vor Jahrzehnten postulierten Higgs-Teilchen führten. Ein solcher Erzählstrang ist bei 'CERN und der Sinn für Schönheit' nicht gegeben. Der Film erzählt nicht eine Geschichte, vielmehr verbindet er Aufnahmen aus dem CERN, faszinierende Naturaufnahmen sowie Bilder und Animationen von einem Dutzend Künstlern, die sich von der CERN-Forschung haben inspirieren lassen, zu einem assoziativen Bilderbogen.

Obwohl der Film von Valerio Jalongo dokumentarisches Material verwendet, ist er nicht ein Dokumentarfilm im engeren Sinn. Der Regisseur nimmt sich nämlich die Freiheit, Bilder und reflexive Begleittexte zu einem suggestiven Werk zu verknüpfen. Das Produkt ist nicht ein auf Wirklichkeitsvermittlung angelegter Dokumentarfilm, sondern lässt sich eher als eine Meditation über Erkenntnis und Schönheit begreifen. Typisch für diese assoziative Struktur ist die Gliederung des Films in insgesamt neun Teile. Jeder Teil trägt einen Titel, der jeweils einen grossen Interpretationsspielraum eröffnet, z.B. „Der Spiegel der Welt“ oder „Messgrösse für die Schönheit“.

Physiker mit ungewohnter Sprache

Wer sich über das CERN und die Teilchenphysik informieren möchte, der wird bei 'CERN und der Sinn für Schönheit' nicht wirklich auf seine Kosten kommen. Wer sich hingegen auf ein Patchwork einlassen will, das Bilder von Wissenschaft mit Bildern über Wissenschaft verbindet und mit einem ästhetisch-philosophischen Begleittext unterlegt, taucht in eine faszinierende, vielleicht sogar sinnstiftende Welt ab. Der Film ist für den Betrachter, der sich auf diese Lesart einstellen will, stellenweise etwas schnell geschnitten und auch mit dem einen oder anderen Faktum aus der Forschung überladen. Doch hält er für den Zuschauer, der sich auf die kaleidoskopische Bilderwelt einlässt, manche Anregung parat.

Zu dem Erkenntniswert tragen in nicht unerheblichem Mass auch die Physikerinnen und Physiker bei, die im Film ausführlich zu Wort kommen: Sie verwenden hier nicht die Sprache der mathematischen Abstraktion, auf die sie in ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit angewiesen sind. Vielmehr lassen sie sich auf das Experiment ein, über die gesellschaftliche Bedeutung ihrer Arbeit nachzudenken und die Parallelen zwischen wissenschaftlicher und künstlerischer Weltaneignung zu reflektieren.

Autor: Benedikt Vogel

Dauer: 75 Minuten Dauer

Kinostart: 5. 4. 2018 (Deutschschweiz); 12.04.2018 (Italienische Schweiz); 18.04.2018 (Westschweiz).

Kategorien

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  • Theater- und Filmwissenschaften