Die SCNAT und ihr Netzwerk setzen sich für eine nachhaltige Gesellschaft und Wissenschaft ein. Sie unterstützen Politik, Verwaltung und Wirtschaft mit Fachwissen und pflegen den Dialog mit der Öffentlichkeit. Sie stärken den Austausch über die wissenschaftlichen Disziplinen hinweg und fördern den akademischen Nachwuchs.

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«Open Science» auch in der Kommunikation

Seit längerem zeichnet die Akademie für Naturwissenschaften SCNAT journalistische Beiträge zu den Naturwissenschaften aus. Noch vor fünf Jahren hatten wir stets 20-30 Einsendungen pro Jahr. Nun sind es noch die Hälfte. Der Grund: die Krise im Journalismus. Die Zahl an Journalistinnen und Journalisten und an Beiträgen ist eingebrochen.

Stapel mit verschiedenen Zeitungen
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Zeitgleich gibt es eine weitere, ganz anders gelagerte Krise. Es ist die Krise der Wissenschaft. Leidet der Journalismus an Schwund, so ist die Wissenschaft überhitzt. Immer mehr Forschende produzieren immer mehr wissenschaftliche Arbeiten. Das ist an sich positiv. Nur sind dabei die Anreize so gesetzt sind, dass Forschende für Masse mehr belohnt werden als für Qualität.

Raum für Fake-News?
So unterschiedlich die beiden Krisen sind, es gibt doch Gemeinsamkeiten. Beide Krisen tangieren die Glaubwürdigkeit der jeweiligen Akteure. Die Folgen aber treffen die gesamte Gesellschaft. Wissenschaft und Journalismus erfüllen teilweise ähnliche Funktionen: Sie sind die Wahrheitssuchenden in der Gesellschaft, die Hinterfragenden, die Gralshüter der Fakten sozusagen. Haben die beiden Krisen also den Raum für Fake-News und das postfaktische Zeitalter geschaffen?

Politische Entscheide unterstützen
In der Wissenschaft ist die eigene Krise mittlerweile erkannt und die Selbstkorrektur hat eingesetzt. Auch unsere Akademie engagiert sich zusammen mit jungen Forschenden und Partnerinstitutionen. Dabei geht es nicht nur um das innere Funktionieren des Wissenschaftsbetriebes, sondern auch darum, wie sich die Wissenschaft in die Gesellschaft einbringt. Die Arbeit der Forschenden soll dazu beitragen, dass die Gesellschaft gute Entscheidungen treffen kann, etwa in Fragen der Umwelt, Gesundheit oder Migration.

Wissenschaftskommunikation ist kein Ersatz
Wie aber lässt sich dieser Dialog gut führen, wenn der Journalismus schwächelt? Die Wissenschaft antwortet mit verstärkter Kommunikation – über das Internet, über Magazine oder an Wissenschaftsfestivals. So toll diese Initiativen zum Teil sind, sie sind kein Ersatz für Journalismus: Es fehlt die kritische Sichtweise und die unabhängige Einordung von aussen. Und zudem gelingt es ausserhalb der klassischen Massenmedien immer noch schlecht, Debatten bis an die Küchen- und Stammtische zu bringen.

Hochschulen sind keine Unternehmen
An der Schnittmenge der beiden Krisen zeichnen sich Lösungen ab. Überall, auch an Hochschulen, wird die Kommunikation professionalisiert. Mit dieser Entwicklung verändert sich deren Hauptziel schleichend. Der Erhalt einer guten Reputation der Institution wird zum zentralen Anliegen. Die Offenheit leidet und Kontrollversuche nehmen zu. Der einzelnen Hochschule kann dies nützen. Für die Wissenschaft als Ganzes, die für sich einen besonderen Status reklamiert und zu Recht hohe Glaubwürdigkeit geniesst, ist ein solches Verhalten gefährlich. Wer zunehmend wie ein Unternehmen agiert, wird irgendwann auch so wahrgenommen.

Hin zu einer offenen Wissenschaft
Die Hochschulen sind erst am Anfang dieses Pfades. Sie sollten eine Kehrtwende einleiten hin zu einer wirklich «offenen Wissenschaft», auch in der Kommunikation. Und gerade bei Themen wie der Finanzierung durch Unternehmen, bei Tierversuchen oder bei Mängeln von wissenschaftlichen Arbeiten. Eine Wissenschaft, die selbstbewusst über Stärken, Schwächen und Grenzen des eigenen Tuns spricht, wird an Glaubwürdigkeit gewinnen. Und: Diese Kehrtwende unterstützt auch Journalistinnen und Journalisten in ihrer Arbeit.

Neue Fördermöglichkeiten
Offenheit allein genügt aber nicht. Der Journalismus braucht auch neue Formen der Förderung, ganz generell. Zwischen Wissenschaft und Journalismus sind auch besondere Formen denkbar, welche die gegenseitigen Rollen respektieren. Wissenschaftsförderer könnten zum Beispiel einen Teil der Gelder für gemeinsame Projekte einer Wissenschaftlerin und eines Journalisten sprechen, etwa zur Analyse umfangreicher Datensätze.

Innovativer Journalismus
Die grosse Zeit der Massenmedien wird nicht wiederkehren. Es braucht also vor allem Innovationen. Dieses Steckenpferd der Wissenschaft ist erfreulicherweise im Journalismus angekommen, wie die dynamischen Gründer rund um die Republik, sept.info, higgs.ch, «Bon pour la tête» und weiteren beweisen. Einige können Sie an unserer öffentlichen Veranstaltung «Die Wissenschaft braucht guten Journalismus» am 25. Mai in Bern treffen.

Kommentar von Marcel Falk, erschienen am 12. April in Le Temps

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