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Vorsorge im Umweltbereich – ethische Anforderungen an die Regulierung neuer Biotechnologien

Die Entwicklung des Genome Editing – d.h. neuer Verfahren, die punktuelle Eingriffe ins Erbgut ermöglichen – schreitet rasch voran. Für Anwendungen im Bereich der Umwelt berufen sich die zuständigen Behörden auf das umweltrechtliche Vorsorgeprinzip. Sie halten deshalb die strengen rechtlichen Anforderungen, wie sie für die Gentechnik gelten, auch bei diesen neuen biotechnologischen Verfahren derzeit für gerechtfertigt. Andere kritisieren, das Vorsorgeprinzip schränke Forschung und Entwicklung unzulässig ein. Die Eidgenössische Ethikkommission für die Biotechnologie im Ausserhumabereich (EKAH) kommt in ihrem Bericht zum Schluss, dass der Vorsorgegedanke ethisch begründet ist und deshalb rechtlich konsequent gestärkt und umgesetzt werden muss.

Genom Editierung
Bild: The Broad Institute

Das Vorsorgeprinzip ist aus der rechtlichen und politischen Diskussion heraus entstanden und hat sich seit der Deklaration von Rio 1992 international etabliert. Die Kernidee der Vorsorge besteht aus zwei Aspekten. Erstens, Schäden von einer bestimmten Qualität sollten nicht eintreten. Zweitens soll man, wenn man zu ihrer Vermeidung oder Eingrenzung etwas tun kann, dies auch tun, selbst dann, wenn die Eintrittswahrscheinlichkeit eines solchen Schadens ungewiss ist.

Die Entwicklung von Genome Editing ist Auslöser einer neuen kontroversen Diskussion, wie die Anwendung solcher Verfahren in der Umwelt reguliert werden soll. Nach jahrelangen Debatten hatte das Parlament 2003 das Gentechnikgesetz verabschiedet. Dieses basiert auf dem Vorsorgegedanken und sieht strenge Bewilliungsverfahren für die Anwendung von Gentechnologie im ausserhumanen Bereich vor. Manche argumentieren, bestimmte der neuen Verfahren seien von diesen Bewilligungsverfahren für gentechnische Methoden auszunehmen, sei es, weil die Veränderungen des Ergbguts im Produkt nicht mehr nachweisbar seien, sei es, weil solche Veränderungen auch durch natürliche Mutationen entstehen könnten. Sich auf das Vorsorgeprinzip zu berufen, sei in diem Kontext rational nicht begründbar. Andere halten am Vorsorgegeanken fest. Der Umgang mit diesen neuen Technologien im Umweltbereich sei ebenso wesentlich von Unsicherheit und Wissenslücken geprägt wie die herkömmlichen Biotechnologien. Diese Unsicherheit sei verbunden mit der plausiblen Befürchtung, dass sich in komplexen Systemen wie jenen der Umwelt auch mögliche kleine Veränderungen zu sehr grossen Schäden auswachsen könnten.

Die EKAH diskutiert in ihrem Bericht die unterschiedlichen ethischen Begründungsansätze des Vorsorgegedankens. Die Mitglieder kommen zum Schluss, dass sich der Vorsorgegedanke unabhängig vom gewählten Ansatz ethisch begründen lässt und deshalb bei der Regulierung neuer Technologien in der Umwelt konsequent gestärkt und umgesetzt werden muss.

Weiter sind sich die Mitglieder einig, dass Vorsorgesituationen eine Beweislastumkehr rechtfertigen: Jene, deren Handeln einen schwerwiegenden Schaden befürchten lässt, müssen plausibel darlegen, dass ein solcher Schaden extrem unwahrscheinlich und wissenschaftlich absurd ist. Aus dem Vorsorgegedanken lässt sich auch eine umfassende Ermittlungspflicht ableiten, um die Ungewissheit zu reduzieren. Dies mit dem Ziel, im Umgnag mit neuen Verfahren eine angemessene Risikobeurteilung zu ermöglichen. Die EKAH erachtet es für wichtig, zum einen die Vertrauenswürdigkeit von Risikobeurteilungen durch Wissenschaft und Behörden zu verbessern und zum anderen das politische Bewusstsein im Umgang mit neuen Technologien und damit verbundenen Unsicherheiten zu schärfen.

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Kontakt

Ariane Willemsen
Eidgenössische Ethikkommission für die Biotechnologie im Ausserhumanbereich (EKAH)
Bundesamt für Umwelt BAFU
3003 Bern