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Genesis 2.0: «Alles Machbare machen zu dürfen, ist kein Antrieb»

Ueli Grossniklaus, Professor für Entwicklungsgenetik der Pflanzen an der Universität Zürich und Mitglied des Forum Genforschung, war einer der ersten, der den Film «Genesis 2.0» sehen konnte. Das Forum Genforschung hat sich mit ihm über seine Eindrücke unterhalten

Ueli Grossniklaus
Bild: Horizonte

Was bleibt Dir von Genesis 2.0 in besonderer Erinnerung, was hat sich Dir eingeprägt?

Es sind Eindrücke auf zwei unterschiedlichen Ebenen. Da ist zum einen das Archaische der nordsibirischen Taiga und das Schicksal der Männer, die nach den Mammutzähnen suchen. Dieser Erzählstrang hat mir am besten gefallen. Auf der wissenschaftlichen Ebene hat mich der Ansatz der chinesischen Forscher schockiert. Als sich die Filmcrew bei Mitarbeitenden des BGI – des Beijing Genomics Institute – erkundigte, ob ihre Arbeit keine ethischen Probleme aufwerfe, verstanden sie nicht einmal die Frage. Wenn Wissenschaftler verkünden, sie würden «Gottes Schöpfung besser machen», ist das für westliche Forschende äusserst befremdend. Dieser fundamentale Unterschied zwischen der chinesischen und der westlichen Sicht ist mir auch bei meinen eigenen Aufenthalten in China aufgefallen. Das Individuum hat dort einen anderen Stellenwert als bei uns, und das widerspiegelt sich im Zugang zur Forschung: Was möglich ist, wird gemacht, die moderne Technik wird breit adoptiert, und die Gesellschaft hat kaum Möglichkeiten, korrigierend einzugreifen.

Der Film stellt zwei unterschiedliche Ansätze vor, mit denen versucht wird, ein Mammut «neu» zu erschaffen. Was hältst Du als Naturwissenschaftler von dieser Zielsetzung? Und welcher der beiden Ansätze ist aus Deiner Sicht sinnvoller bzw. verspricht mehr Erfolg?

Dieses archaische Tier aus der Urzeit schlägt viele Menschen in seinen Bann. George Church, der im Film vorkommt, erhält für sein Mammut-Projekt weitaus am meisten Aufmerksamkeit, obschon es nur ein kleines Vorhaben in seinem ganzen Portfolio ist. Er versucht, die DNA eines Elefanten so umzuschreiben, dass ein Mammut entsteht. Dazu müsste allerdings bekannt sein, wofür genau welches Gen zuständig ist, und das ist noch weitgehend unbekannt. George Church wird also allenfalls ein paar Merkmale des Elefanten ändern können, sodass möglicherweise ein Tier mit kleineren Ohren oder längeren Haaren entsteht. Aber es bliebe dennoch mehrheitlich ein Elefant, sollten all die technischen Hürden, die es in diesem Projekt zu überwinden gibt, genommen werden können.

Im Unterschied dazu handelt es sich beim Klonen, wie es im zweiten Ansatz der Mammut-Rekonstruktion praktiziert wird, nicht um Synthetische Biologie, sondern um eine bereits ältere Technik der Fortpflanzungsbiologie. Doch auch wenn sie bei Säugetieren schon seit über zwei Jahrzehnten praktiziert wird, ist sie keineswegs trivial: Was bei Schafen und Mäusen gut funktioniert, lässt sich nicht eins zu eins auf andere Säuger übertragen, man muss das Vorgehen auf jede Tierart anpassen. Ich halte es auch noch aus einem anderen Grund für ausgeschlossen, dass dieser Ansatz zum Erfolg führen wird. Es wird nämlich nicht möglich sein, aus dem gefrorenen Mammutgewebe lebende Zellkerne oder auch nur intakte DNA zu gewinnen. Beim Klonen wird ein intakter Zellkern in eine entkernte Eizelle transferiert. Wenn man Zellen so einfrieren will, dass sie überleben, braucht es ein spezielles Verfahren und geeignete Medien – allein schon um zu verhindern, dass in den Zellen Kristalle entstehen, welche sie zerstören.

Kannst Du als Wissenschaftler die Faszination verstehen, die von solchen «Rekonstruktionsprojekten» ausgehen?

Dass man ein Genom in einen älteren Zustand umschreiben kann, vermag wissenschaftlich durchaus zu faszinieren. Dank dieses Ansatzes wäre es beispielsweise möglich, bei Arten, die heute kaum mehr genetische Diversität aufweisen, wieder eine grössere Vielfalt einführen. So könnte Crispr/Cas9 genutzt werden, um Populationen genetisch aufzufrischen, etwa anhand von früheren Zuständen des Erbguts, wie man sie anhand von Proben in Sammlungen ermitteln könnte. Für mich als Biologe mutet das Festhalten an einem bestimmten Zustand allerdings etwas seltsam an. Denn das Aussterben bestehender und das Entstehen neuer Arten ist Teil der Evolution. Der Mensch beschleunigt aber diesen Prozess, und daher muss er sich gut überlegen, was er in der Natur anstellt.

Welches Bild der Wissenschaft bzw. von Wissenschaftlern vermittelt der Film? Deckt sich dieses Bild mit Deiner eigenen Erfahrung aus der Innensicht eines Naturwissenschaftlers?

Der Film stellt Extrempositionen dar, die sicher nicht der Mainstream-Forschung entsprechen. Alte Arten wieder zu erschaffen, ist weltweit das Ziel einiger weniger, eher exotischer Projekte. Auch der Fokus auf die chinesischen Wissenschaftler vermittelt ein Bild, das stark von den Zuständen an westlichen Hochschulen und Laboratorien abweicht. In China herrscht derzeit der Eindruck vor, man könne alles in den Griff bekommen, wenn man nur das Genom sequenziere und verändere. Dass es neben dem Erbgut noch andere wichtige Einflüsse auf die Entwicklung und Anpassung von Organismen gibt, bleibt unberücksichtigt. In Europa resp. in der westlich geprägten Wissenschaft findet ein intensiver Diskurs mit der Gesellschaft statt; da überlegen sich die Forscher, wo die Grenzen ihres Tuns liegen müssen. Dass die Gesellschaft mitreden soll und kann, ist hierzulande der Normalfall.

Beunruhigt Dich, dass ein solcher Film ein falsches Bild der Wissenschaft vermitteln könnte?

Ja, schon ein wenig. Die Wissenschaft wird ohnehin schon verzerrt wahrgenommen, indem in der Berichterstattung der Medien gerne Extrempositionen porträtiert oder kritisiert werden. Der Film verstärkt dieses Bild. Die meisten Forscherinnen und Forscher setzen sich mit der Wirkung ihrer Arbeit auseinander. Der Erkenntnisgewinn steht im Vordergrund, und im Hinblick auf mögliche Anwendungen ist ein Diskurs mit der Gesellschaft unerlässlich. Alles machen zu dürfen, was machbar ist, ist für uns kein Antrieb.

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