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Wissenschaftliche Unterstützung der Politik im Umgang mit langfristigen gesellschaftlichen Herausforderungen – eine Kernaufgabe der SCNAT

Der Dialog zwischen Wissenschaft und Politik ist ein anspruchsvolles Unterfangen. Mit Ausbruch der Covid-19-Pandemie war die Wissenschaft quasi über Nacht gefordert, Fachleute aus äusserst unterschiedlichen Bereichen zu mobilisieren, ohne dass in der Schweiz zu derartigen Gesundheitsrisiken und ihren Auswirkungen auf die Gesellschaft bereits ein tragfähiges, mit umfassenden wissenschaftlichen und kommunikativen Kompetenzen ausgestattetes Dialog-Netzwerk bestanden hätte. Der vorliegende Beitrag zeigt anhand der Tätigkeit der Akademie der Naturwissenschaften Schweiz auf, was erforderlich ist, um langfristig den Dialog mit der Politik zu pflegen.

SWIFCOB 2020
Bild: SCNAT

Mit ihren verschiedenen thematischen Foren, welche sich mit langfristigen, zentralen gesellschaftlichen Herausforderungen beschäftigen und in der Plattform Wissenschaft und Politik (SAP) zusammengefasst sind, engagiert sich die SCNAT gemäss ihrem Auftrag seit rund 30 Jahren für einen aktiven Dialog zwischen Wissenschaft und Politik (Messerli et al., 2015). Mit Themen wie Klima und globaler Wandel (Forum ProClim), Biodiversitätsverlust (Forum Biodiversität Schweiz), Landschaftsentwicklung (Forum Landschaft, Alpen, Pärke), Genforschung (Forum Genforschung), nachhaltige Energieversorgung (Energiekommission der Akademien Schweiz) u.a.m. hat sich die SCNAT im Laufe der Zeit als wichtiger, unabhängiger wissenschaftlicher Partner vor allem für die nationale Politik (Bundesrat, National- und Ständerat, Bundesämter) etabliert.

Entscheidende Rolle der Wissenschaft

Wie durch die aktuelle Arbeit der «Swiss National Covid-19 Science Task Force» abermals deutlich geworden ist, spielt die Wissenschaft eine entscheidende Rolle beim Umgang mit grossen gesellschaftlichen Herausforderungen. Obschon es sich bei der Bewältigung der Pandemie um eine sofortige, relativ kurzfristig anzugehende Aufgabe handelt (die sich durchaus in eine langfristige zu wandeln droht), sind verschiedene Parallelen zur Rolle der Wissenschaft bei der Lösung von langfristigen Problemen, wie die oben angesprochenen, offensichtlich. In allen Fällen handelt es sich um die Behandlung äusserst komplexer Fragestellungen, die nur durch die interdisziplinäre Zusammenarbeit von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus verschiedensten Disziplinen mit der nötigen Ganzheitlichkeit und wissenschaftlichen Tiefe erfolgreich bearbeitet werden können.

Auch stellen sich immer gleichbleibende Aufgaben, wie die kontinuierliche Aufbereitung und Integration des Stands des Wissens sowie dessen Kommunikation in geeigneter, allgemein verständlicher Form in die Politik und Gesellschaft. Eine besondere Herausforderung bildet dabei der sorgfältige Umgang mit Unsicherheiten in den wissenschaftlichen Aussagen und Prognosen, was für die Vertrauensbildung der Politik und Gesellschaft gegenüber der Wissenschaft von entscheidender Bedeutung ist. Schliesslich stellt sich auch die kritische Frage, inwieweit die Wissenschaft aufgrund ihrer Erkenntnisse der Politik nicht nur Handlungsoptionen aufzeigen soll, sondern auch Handlungsempfehlungen abgeben darf oder sogar muss.

Im Folgenden werden zunächst einige generelle Bemerkungen über die Verantwortung und die Rolle der Wissenschaft im Dialog mit der Politik zur Bewältigung von grossen gesellschaftlichen Herausforderungen gemacht. Es wird erläutert, was dies für die Aufgaben der Akademien und insbesondere der SCNAT für den Dialog mit der Politik bedeutet. Danach wird beschrieben, wie die SCNAT ihrem Dialog-Auftrag gerecht wird. Und schliesslich wird aufgezeigt, auf welche Themen der Dialog Wissenschaft-Politik in Zukunft auszurichten ist. Es geht um nichts Geringeres als die gesellschaftliche Transformation im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung, welche die schweizerischen BFI-Institutionen gemeinsam unterstützen müssen.

Verantwortung der Wissenschaft und Rolle der Akademien bei der Bewältigung komplexer gesellschaftlicher Herausforderungen

Die Wissenschaft prägt mit ihren grundlegenden Erkenntnissen und mit ihren – insbesondere technologischen – Entwicklungen nicht nur den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Fortschritt, sondern sie ist auch in der Verantwortung, Beiträge zur Analyse und Lösung der mit zunehmendem Wohlstand verbundenen negativen Folgen zu leisten. Diese umfassen beispielsweise den Klimawandel, den Biodiversitätsverlust, die Belastung der Umwelt mit xenobiotischen Stoffen, aber etwa auch Herausforderungen, die durch die zunehmende Digitalisierung oder durch die globale Mobilität entstehen.

Ein wesentliches Element zur Wahrnehmung dieser Verantwortung ist die Unterstützung einer auf wissenschaftlicher Evidenz basierten Politik. Diese Unterstützung kann durch einen intensiven, kontinuierlichen Dialog mit den die Politik bestimmenden Gremien (z.B. Bundesrat, National- und Ständerat, Kantonsregierungen) und Institutionen (z.B. Bundesämter, Kantonale Ämter) gewährleistet werden.

Dialog Wissenschaft-Politik ist ein kollektives Unterfangen

Die eine repräsentative Stimme der Wissenschaft – und dementsprechend einen klar definierten Dialogpartner für die Politik – gibt es in der Schweiz nicht. Die verschiedenen BFI-Institutionen (Swissuniversities, ETH-Bereich, Schweizerischer Nationalfonds, Innosuisse, Schweizerischer Wissenschaftsrat, Akademien der Wissenschaften Schweiz etc.) haben im schweizerischen Wissenschaftssystem unterschiedliche Rollen und nehmen diese auch im Dialog mit der Politik und der Gesellschaft unterschiedlich wahr. Zusammen kann man sie aber durchaus als die institutionalisierte Stimme der Wissenschaft in der Schweiz verstehen. Die Pflege des Dialogs Wissenschaft-Politik ist deshalb als ein kollektives Unterfangen mit unterschiedlichen Phasen und unterschiedlichen Rollen der BFI-Institutionen zu verstehen.

In der ersten Phase geht es um die Erarbeitung der für die Analyse und Lösung komplexer gesellschaftlicher Herausforderungen notwendigen wissenschaftlichen Grundlagen. Dies entspricht der ureigenen Aufgabe der Wissenschaft und verlangt von ihr auch, sich mit der nötigen Früherkennung auf zukünftige Herausforderungen vorzubereiten. Diese Phase ist von entscheidender Bedeutung, denn ohne fundiertes Wissen läuft der Dialog rasch ins Leere, und das Vertrauen in die Wissenschaft schwindet. Die Schweiz ist hier mit der sehr hohen Qualität ihres Forschungsplatzes bestens positioniert, mindestens was die vornehmlich disziplinär orientierten wissenschaftlichen Fachgebiete betrifft. Bei der für die Bearbeitung komplexer gesellschaftlicher Herausforderungen notwendigen Transdisziplinarität ist jedoch, wie überall auf der Welt, noch erhebliches Entwicklungspotenzial vorhanden.

Fachlich breit abgestützt

In der zweiten Phase müssen das gesicherte Wissen, aber auch die damit verbundenen Unsicherheiten, zu einer bestimmten Thematik für den Dialog mit der Politik synthetisiert und aufbereitet werden. Die Komplexität der Themen erfordert dabei stets eine fachlich breite Abstützung (Naturwissenschaften, Sozialwissenschaften, technische und medizinische Wissenschaften etc.). Dafür braucht es Orte, wo dieser innerwissenschaftliche und interdisziplinäre Austausch (einschliesslich der relevanten Praxis) organisiert und auf die zentralen gesellschaftlichen Herausforderungen ausgerichtet wird.

Hier kommen die Akademien ins Spiel, da die restlichen BFI-Institutionen andere Aufgaben und Schwerpunkte haben. Für Themenbereiche bei welchen die Naturwissenschaften eine grosse Rolle spielen, stellt die Plattform Wissenschaft und Politik (SAP) der SCNAT mit ihren verschiedenen Foren und Arbeitsgruppen schon seit Jahren einen solchen Ort dar. Hier werden Forschende aus der ganzen Schweiz zusammengeführt, um in iterativen Prozessen das Wissen zuhanden des Dialogs mit der Politik aufzubereiten. Da das Engagement der Forschenden stets unentgeltlich erfolgt (Milizsystem), bedingt dies ihrerseits eine grosse intrinsische Motivation für ein gesellschaftliches Engagement und seitens ihrer Heiminstitutionen ein Umfeld, das ein solches Engagement schätzt und fördert.

Kontinuierlicher Dialog mit der Politik

Schliesslich, in der dritten Phase, muss das aufbereitete Wissen auf eine verständliche Weise über die verschiedensten Informations- und Dialoggefässe in die politische Diskussion eingespeist werden. Diese Phase erfordert eine sehr breite Vernetzung mit der Politiklandschaft, hohe wissenschaftliche Sachkenntnis und grosse kommunikative Fähigkeiten im weitesten Sinne (Sprache, Auftreten, aktives Zuhören und vieles mehr). Auch hier kommt den Akademien eine wichtige Rolle zu, indem sie als Schnittstelle zur Politik agieren und den Dialog mit ihr über einen langen Zeitraum kontinuierlich aufrechterhalten, wobei sowohl die Mitglieder der Milizorgane als auch die Mitarbeitenden der Foren in der Geschäftsstelle der SCNAT allesamt in die systematische Kontaktpflege involviert sind.

Der Prozess des Dialogs Wissenschaft-Politik zu langfristigen Herausforderungen ist auf Seiten der Wissenschaft somit vom Zusammenspiel der Forschungsinstitutionen und den Akademien geprägt. Die Forschungsinstitutionen generieren das Wissen (Phase 1) und beteiligen sich mit vielen ihrer Fachleute an dessen Aufbereitung (Phase 2) und Vermittlung in die Politik (Phase 3). Die Akademien stellen die neutrale und unabhängige Drehscheibe für die Phasen 2 und 3 dar. Unabhängig bezieht sich dabei auf den Umstand, dass sie keine eigene Forschungstätigkeiten und -resultate in Szene setzen müssen, sondern der Fokussierungspunkt für breit abgestützte Expertise sind.

Die SCNAT versteht sich im Sinne der Früherkennung aber auch vermehrt als Motivatorin und Unterstützerin neuer inter- und transdisziplinärer Forschungsthemen (Phase 1), insbesondere was komplexe Systemfragen betrifft, die für die Transformation zu einer nachhaltigeren Gesellschaft von Bedeutung sind.

Engagement und Arbeitsweise der SCNAT im Politikdialog

Milizgremien und die Geschäftsstelle

Die SCNAT betreibt aktuell über 50 Fachgremien mit fast 500 gewählten Expertinnen und Experten aus den Schweizer Hochschulen und aus der Praxis. Rund 10 Gremien (Foren) widmen sich explizit komplexen langfristigen gesellschaftlichen Herausforderungen, indem sie den entsprechenden Stand des Forschungswissens aufbereiten, gesellschaftliche Handlungsoptionen sowie deren Konsequenzen aufzeigen und dies in den Dialog mit der Politik und der Gesellschaft hineintragen. Da viele der gegenwärtigen und zukünftigen Herausforderungen nicht durch ein Forum alleine bearbeitet werden können, kommt der engen Zusammenarbeit zwischen ihnen und über die SCNAT hinaus eine zunehmend grosse Bedeutung zu.

Die Mitglieder der Milizgremien bewegen sich meistens in einem sehr anspruchsvollen und höchst kompetitiven eigenen beruflichen Umfeld, weshalb ihnen für dieses Engagement oft nur wenig Ressourcen zur Verfügung stehen. Die SCNAT unterstützt sie daher durch qualifiziertes wissenschaftliches Personal, welches das Zusammenwirken der Fachleute organisiert, konkrete Produkte unter fachlicher Begleitung durch die Gremien aufbereitet, die Kontakte in die wissenschaftlichen und politischen Kreise kontinuierlich pflegt und damit das Terrain bereitet, damit Exponentinnen und Exponenten aus der Wissenschaft, die über eine hohe Kommunikationsgabe verfügen, an unterschiedlichsten Stellen auf die «Dialogbühne» treten können.

Entstehung der inhaltlichen Agenda

Die inhaltliche Agenda für den Dialog mit der Politik wird einerseits aus der Früherkennung – einem gesetzlichen Auftrag der Akademien – gespeist. Die SCNAT greift gesellschaftlich relevante Herausforderungen auf, die für die Politik mittel- und langfristig von Bedeutung sind oder sein werden. Sie priorisiert diese Themen, erarbeitet sich das entsprechende Wissen und stellt sicher, dass sie sich bei den wichtigsten Themen zum optimalen Zeitpunkt in geeigneter Form in den Dialog mit der Politik aber auch in einen öffentlichen Diskurs einbringt.

Andererseits orientiert sich die SCNAT auch an der Agenda der Politik, im Wissen darum, dass während der politischen Verhandlung von gesellschaftlich relevanten Problemen der Bedarf an wissenschaftlicher Beratung am grössten ist. So bemüht sich die SCNAT, der Politik auch bei kurzfristigen Herausforderungen unterstützend zur Seite zu stehen. Im Weiteren werden bei der Festlegung der Agenda für den Politikdialog auch die sich wandelnden Bedürfnisse während des Politzyklus berücksichtigt, gerade bei den langfristigen gesellschaftlichen Herausforderungen. Gefragt sind dort Systemwissen für das Problem-Framing, Zielwissen für das Policy-Development, Transformationswissen für die Policy-Implementation und Evaluationswissen für die Policy-Review (Queevauviller et al. 2005; Wuelser et al. 2012).

Dialog mit allen relevanten politischen und gesellschaftlichen Akteurinnen und Akteuren

Die SCNAT strebt im Dialog mit der Politik stets eine möglichst umfassende Vernetzung und einen strukturierten Dialog mit allen relevanten politischen und gesellschaftlichen Akteurinnen und Akteuren an. Zu zahlreich sind die verschiedenen Gruppierungen und Einflussfaktoren in der schweizerischen Demokratie, als dass durch die Konzentration auf einzelne Gesprächspartner (z.B. eine parlamentarische Kommission, ein einzelnes Bundesamt, eine politische Partei) ein umfassender wirkungsvoller Dialog mit der Politik zu den langfristigen Herausforderungen etabliert werden könnte. Wichtig ist somit das Verständnis und die Kenntnis der politischen Akteurslandschaft im weiten Sinne, die neben den Exekutiven und Legislativen und deren Akteuren (Kollegialbehörden, Einzelpersonen, Sekretariate etc.) auch die Verwaltung, Parteien und deren Sekretariate, kantonale Koordinationsorgane, Verbände, Praktikerinnen, Multiplikatoren wie Journalistinnen etc. einschliesst.

Ebenso wichtig ist es, die Politikmechanik zu verstehen, insbesondere den Gesetzgebungsprozess im weitesten Sinne. Es gibt in der Politik eine Art nicht öffentlicher Phase, während welcher politische Herausforderungen auf unterschiedlichen Ebenen – nicht zuletzt auf Stufe der öffentlichen Verwaltung – thematisiert und diskutiert werden. Die SCNAT versucht deshalb durch eine stetige Vertrauensbildung zu relevanten Gruppen bereits in dieser frühen Phase präsent zu sein, da dort bereits entscheidende Vorbereitungen für den nachfolgenden formalen Gesetzgebungsprozess z.B. in Form von Gesetzes- oder Verordnungsentwürfen erfolgen. Für den Dialog zwischen Wissenschaft und Politik ist diese nicht offizielle Phase deshalb so wichtig, weil in ihr sachlogische Argumente leichter Gehör finden. Je weiter ein gesetzgeberisches Vorhaben im formalen Prozess fortgeschritten ist, desto kleiner wird der Spielraum für die Stimme der Wissenschaft, da die legitimen Interessen und Sachzwänge (Finanzen, gesellschaftliche Akzeptanz etc.) der politischen Akteure zunehmend in den Vordergrund rücken.

Unterschiedlichste Dialoggefässe

An der Schnittstelle zur Politik nutzt die SCNAT eine breite Palette von Informations- und Dialoggefässen, die ständig überprüft und angepasst wird. Nur so kann der auf breiter Front anvisierte Dialog auch wirklich alimentiert und kontinuierlich aufrecht erhalten werden. Typische Gefässe sind Faktenblätter, Newsletter, Grundlagenberichte, Videos, öffentliche und geschlossene Veranstaltungen in unterschiedlichster Form (Konferenzen, Workshops, Briefings etc.), Auftritte in relevanten Gremien (z.B. parlamentarische Kommissionen, bei Verbänden etc.), Themenportale auf der Website, Social-Media und vieles mehr.

Um all diese Gefässe erfolgreich zu nutzen, richtet die SCNAT diese möglichst gut auf die Zielgruppen aus, sowohl im Inhalt als auch in der Ausgestaltung. Gerade letzteres ist zentral. Verständlichkeit, Sprache, Auftreten etc. bestimmen stark, ob und wie eine Botschaft ankommt. Auch hier legt die SCNAT Wert auf entsprechend qualifiziertes Personal in ihrer Geschäftsstelle, das die Milizgremien der Foren unterstützt und für die kontinuierliche Vernetzung mit dem politischen System sorgt. Wichtig ist auch, renommierte Forschende mit herausragenden Kommunikationsfähigkeiten zu gewinnen, die sich auf dem von der Geschäftsstelle der SCNAT vorbereiteten Terrain an den wichtigsten Stellen direkt einbringen und der Politik Rede und Antwort stehen.

Qualitätssicherung bei Druckerzeugnissen

Sämtliche Druckerzeugnisse, die für den Dialog mit der Politik erarbeitet werden, unterliegen in der SCNAT einer umfassenden Qualitätssicherung, die aus drei wichtigen Elementen besteht:

  1. Strategische Aufsicht durch den Vorstand der SCNAT: Dieser prüft auf Grund festgelegter Kriterien, ob ein Produkt überhaupt erarbeitet werden soll und gibt es gegebenenfalls zur Erarbeitung frei; ein Delegierter des Vorstands begleitet das Produkt während der Erarbeitung aus strategischer Sicht; der Vorstand gibt dann das Produkt auf Grund einer abschliessenden Gesamtbeurteilung zur Publikation frei.
  2. Wissenschaftliche Abstützung durch Fachgremien: Sämtliche Produkte werden in einem iterativen Prozess durch die vom Vorstand gewählten Milizgremien (Fachgremien) der Foren oder durch eine von diesen eingesetzte fachliche Projektgruppe erarbeitet. Bei der Wahl der Mitglieder sowohl der Foren als auch der Projektgruppen stehen die fachliche Kompetenz und eine breite fachliche Abstützung des Kollektivs im Zentrum, was heisst, dass normalerweise auch die Sozialwissenschaften gut vertreten sind. Sämtliche Personen in Gremien und Projektarbeit müssen ihre Interessenbindungen schriftlich offen legen und diese werden auf Anfrage auch veröffentlicht.
  3. Produkte: Die Produkte müssen neben der wissenschaftlichen Korrektheit einen definierten Anforderungskatalog erfüllen. Insbesondere wird Wert auf allgemeine Verständlichkeit, wissenschaftliche Ausgewogenheit und Transparenz gelegt. Wo möglich wird die Politik auch durch politikrelevante Handlungsempfehlungen unterstützt. Präskriptive Empfehlungen an die Politik werden dagegen vermieden, ausgenommen in Fällen, in denen sich die Politik bereits einen sehr spezifischen Handlungsrahmen gegeben hat, auf den es mit ebenso spezifischen Handlungsempfehlungen zu reagieren gilt.

Im Weiteren ist es der SCNAT wichtig, dass sie als unabhängige Institution keine parteiischen Gutachten verfasst, und sie macht sämtliche Produkte öffentlich zugänglich, auch solche, die für einen Auftraggeber erarbeitet werden. Auch macht die SCNAT keine Abstimmungsempfehlungen, ausser eine Vorlage betrifft direkt die legitimen Interessen der Wissenschaftslandschaft als Ganzes. Inhaltliche Beiträge im Kontext von Abstimmungsvorlagen veröffentlicht sie spätestens zwei Monate vor der Abstimmung; danach reagiert sie nur noch im Rahmen der üblichen Medientätigkeit auf Anfragen.

Fallbeispiel: umfassender Dialog im Zeichen der schwindenden Biodiversität

Seit anfangs der 1990er Jahre ist die Pflege des Dialog zwischen Wissenschaft und Politik ein Schwerpunkt der SCNAT. Damals fokussierte sie sich auf die Herausforderungen des globalen und Klimawandels sowie alsbald zusätzlich auf die Biodiversitätsproblematik. Das vorliegende Fallbeispiel illustriert, welche Dimensionen ein Dialog zu Herausforderungen, die über eine Generation hinausreichen umfasst. Letztlich erfordert die Unterstützung evidenzbasierter Politik durch die Wissenschaft ein kontinuierliches Zusammenspiel vielfältiger Aktivitäten und Instrumente, ausgerichtet auf die ganze Akteurslandschaft in Politik und Gesellschaft.

1994 ratifizierte die Schweiz die UNO-Biodiversitätskonvention, die unter anderem die Entwicklung einer nationalen Biodiversitätsstrategie verlangte. Die SCNAT griff die gesellschaftliche Herausforderung der weltweit schwindenden Biodiversität auf und unterstützt seither die relevanten politischen und gesellschaftlichen Akteure mit ihrem Forum Biodiversität Schweiz kontinuierlich unter Nutzung einer breiten Palette von Informations- und Dialoggefässen.

Mit der äusserst breiten Herangehensweise alimentiert die SCNAT die Politik mit den notwendigen wissenschaftlichen Grundlagen (umfassende Berichte und Faktenblätter). Sie weist dabei relevante Interdependenzen zu anderen Problematiken aus, sie formuliert politischen Handlungsbedarf und Handlungsoptionen, sie unterstützt die meinungsbildenden öffentlichen und nichtöffentlichen Debatten, sie berät die Akteure in Verwaltung und Politik während des gesetzgeberischen Prozesses, sie informiert gezielt höchste Entscheidungsträgerinnen, sie vernetzt Politik, Wirtschaft und Gesellschaft und sie fördert das Grundverständnis für die Biodiversitätproblematik in der Bevölkerung. Das Engagement lässt sich in drei Phasen gliedern: 1. grundlegende Sensibilisierung von Politik und Gesellschaft für die Biodiversitätsproblematik (Nullerjahre); 2. aktive Unterstützung des Prozesses zur Erarbeitung einer schweizerischen Biodiversitätsstrategie (2009–2012); 3. Beratung und Unterstützung des Prozesses zur Gestaltung konkreter Politiken (Aktionsplan Biodiversität und Massnahmenpläne und sektorielle Politiken; seit 2012) sowie deren Verknüpfung mit einer umfassenden Nachhaltigkeitspolitik der Schweiz (Agenda 2030) – all dies stets auf Basis wissenschaftlicher Grundlagen. Wichtige Produkte und Aktivitäten aus diesen Phasen sind:

Dialog zur Unterstützung einer nachhaltigen Entwicklung

Wie eingangs erwähnt, beschäftigt sich die SCNAT primär mit langfristigen gesellschaftlichen Herausforderungen. Diese Langfristigkeit erlaubt es ihr, stabile Netzwerke sowohl innerhalb der Wissenschaftsgemeinschaft wie auch zwischen Wissenschaft und Politik erfolgreich zu bilden und zu unterhalten. Dadurch versetzt sich die SCNAT nicht nur in die Lage, mittel- und langfristige Themen zu bearbeiten, sondern sie kann auch auf kurzfristige Anliegen der Politik in diesen Themenbereichen ohne grosse Verzögerungen reagieren.

Bei den politikrelevanten, zukünftigen inhaltlichen Schwerpunkten der SCNAT stehen vor allem Themen im Vordergrund, welche für die Transformation zu einer nachhaltigeren Gesellschaft von grosser Bedeutung sind. Auch hier geht es um die Bildung und Unterstützung von (Forschungs-)Netzwerken und um das Führen von nationalen Dialogplattformen zwischen Wissenschaft, Politik und Gesellschaft. Allerdings erfordert die hohe Interdependenz der zu erreichenden Nachhaltigkeitsziele der Agenda 2030 noch grössere inter-und transdisziplinäre Konsortien als bis anhin. Erste wichtige Themenkreise wurden denn auch in mehreren Workshops mit über 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus Wissenschaft, Politik und Verwaltung definiert: Umwelt- und sozialverträgliche Ernährungssysteme; Nachhaltigkeit und Raumentwicklung; Gesellschaft mit Netto-Null-Treibhausgasemissionen; Wirtschafts- und Finanzsysteme, die der nachhaltigen Entwicklung dienen; Gemeinsame Werte, Visionen und Wege zur Nachhaltigkeit sowie Umgang mit Synergien, Zielkonflikten und transversale Fragen (Wuelser et al., 2020).

Die SCNAT wird den Politikdialog zu diesen und weiteren Themen weiter vorantreiben, denn der Einsatz für eine nachhaltige Entwicklung ist alternativlos. Sie wird sich dabei auch dafür einsetzen, dass die schweizerischen BFI-Institutionen den zwingend zu stärkenden Dialog mit der Politik noch vermehrt gemeinsam unter Nutzung ihrer jeweiligen Stärken angehen – ganz im Sinne ihrer kollektiven Verantwortung für die Unterstützung einer evidenzbasierten Politik.

Jürg Pfister ist Generalsekretär der SCNAT und Réne Schwarzenbach ist Präsident der Plattform Wissenschaft und Politk der SCNAT.


Quellenangaben

  • Messerli, P., Pohl, C. & Neu, U. (2015). Mit Wissen- schaft die Politik erreichen. Swiss Academies Reports 10 (5)
  • Quevauviller P., Balabanis P., Fragakis C., Weydert M., Oliver M., Kaschl A., Arnold G., Kroll A., Galbiati L., Zaldivar J. M. & Bidoglio G. (2005). Science-policy integration needs in support of the implementation of the EU Water Framework Directive: Environmental Science & Policy: 203–211
  • Wuelser G., Chesney M., Mayer H., Niggli U., Pohl C., Sahakian M., Stauffacher M., Zinsstag J., Edwards P. (2020). Priority Themes for Swiss Sustainability Research. Swiss Academies Reports 15 (5)
  • Wuelser, G., Pohl, C. & Hirsch-Hadorn, G. (2012). Structuring complexity for tailoring research contributions to sustainable development: a framework. Sustainability science 7(1): 81–93

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