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Murielle Delley – das Privileg, ein Leben lang zu lernen

Prix Schläfli 2019 in Chemie

Sie habe immer wissen wollen, wie Dinge funktionieren, sagt Murielle Delley, als man sie nach der Motivation fragt, Chemie zu studieren. Um zu verstehen, was um uns herum geschieht, gewissermassen als Alltagswissenschaft, habe es sie zur Chemie hingezogen, eher noch als zum Beispiel zur Physik. Gut, das war der ursprüngliche Anreiz. Über die Jahre hat sie sich dann natürlich auch spezifischeren, weniger alltäglichen Problemen zugewandt, zuletzt den Oberflächen von Katalysatoren.

Murielle Delley: Prix Schläfli Chemie 2019
Bild: Bernard Delley

Diese werden zwar millionenfach genutzt, um chemische Prozesse gewissermassen zu schmieren, oft ist aber gar nicht exakt verstanden, was da passiert, wenn der Katalysator etwas ermöglicht ohne dabei verbraucht zu werden. So enthalten viele industrielle Katalysatoren, die seit bald fünfzig Jahren sehr erfolgreich angewandt werden, isolierte Metallzentren an der Oberfläche von Oxidträgern. Und doch ist die Struktur und das Wirken ihrer katalytischen Zentren bis heute unklar. Unter anderem dank Murielle Delleys Doktorarbeit an der ETH Zürich beginnt sich das nun zu ändern; dafür wird sie mit dem Prix Schläfli ausgezeichnet.

Hier ist der Bezug zur Alltagsrealität zwar nicht mehr so offensichtlich, aber immer noch vorhanden, man könnte sagen: mehr denn je. Das von Delley untersuchte Verfahren ist von entscheidender Bedeutung bei der Herstellung von Polyethylen, das man gemeinhin eher als PE kennt. Es ist der weltweit mit Abstand am häufigsten verwendete Kunststoff. Wir kennen ihn von Frischhaltefolien, Tragetaschen, Milchkartonbeschichtungen, Plastikflaschen für Putzmittel, etc.

Diesen Prozess besser zu verstehen, heisst womöglich auch, ihn effizienter, sauberer, energiesparender zu machen – jedenfalls öffne ein besseres Verständnis der chemisch-physikalischen Grundlagen eine Menge Möglichkeiten in der Anwendung, sagt Delley. Ärgert es sie manchmal, dass Chemie heute meistens mit Umweltproblemen, dass Plastik mit der Verschmutzung der Meere in Zusammenhang gestellt wird? Allerdings, «Chemie sollte eigentlich ein besseres Image haben», findet sie. Aber leider werde nur über die negativen Seiten der chemischen Industrie geredet. Das sei auch eine kommunikative Aufgabe für Forschende, ist sie überzeugt.

«Forschung zu betreiben heisst eigentlich das Leben lang in die Schule gehen zu können»

Sie selbst kann sich nicht vorstellen, je etwas anderes zu tun als zu forschen. Und dann sagt sie etwas, das für andere Menschen womöglich wie ein Horror klingt: «Forschung zu betreiben heisst eigentlich das Leben lang in die Schule gehen zu können.» Dieses oft zitierte lebenslange Lernen, für Delley ist es nicht lästige Pflicht, es ist ein Privileg. Immer weiter versuchen zu verstehen wie die Dinge sind, und warum sie sind wie sie sind. Sie weiss, dass Wissenschaft deshalb nie an einem Ende angelangt sein kann, dass Forschen ein Prozess ist: Eine Beschreibung der Wirklichkeit, die dann wiederum zu einem Input wird für weitere Fragen, für weitere Forschungen. Man lernt, auch als heller Kopf, eben nie aus.

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