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Boten aus einem noch unbekannten Universum

Ice Cube-Experiment

Ice Cube ist ein physikalisches Grossexperiment im ewigen Eis des Südpols, mit dem Forscher die Neutrinos – eine bislang noch sehr rätselhafte Klasse von Elementarteilchen – untersuchen. Nun liegen erste, spektakuläre Messresultate vor. Sie wecken Hoffnung, dass die Astrophysiker mithilfe der Neutrinos neue Einsichten über Geschichte und Aufbau des Universums gewinnen könnten.

Teresa Montaruli

Von den 25 bekannten Elementarteilchen gehören die Neutrinos mit zu den Leichtgewichten. Noch ist nicht bekannt, ob die Teilchen überhaupt eine Masse haben, aber wenn sie eine haben, dann ist diese extrem gering. Neutrinos kommen in drei Arten vor, als Elektron-Neutrino, Myon-Neutrino und Tau-Neutrino. Sie sind nicht elektrisch geladen, sondern neutral. Das ganz Besondere an den Elementarteilchen ist, dass sie kaum mit anderer Materie wechselwirken. Das heisst, sie fliegen milliardenfach durch den menschlichen Körper oder durch die Erde, ohne dass es zu einer Kollision käme. Das bedeutet auch: Es ist für Forscher extrem schwierig, die Existenz der Neutrinos überhaupt nachzuweisen.

28 Neutrinos aus fernen Galaxien

Um den Neutrinos dennoch auf die Spur zu kommen, bauen Physikerinnen und Physiker ausgeklügelte Experimente. Eines davon ist Ice Cube, eine komplexe Anordnung von Messgeräten in der Antarktis. Dort habe die Forscher über 5000 Detektoren bis zu zweieinhalb Kilometer tief ins Eis verteilt. Mit dieser Versuchsanordnung gelingt es ihnen, von den unzähligen Neutrinos, die auf die Erde niedergehen, zumindest einige wenige nachzuweisen.

Das Ice Cube-Experiment ist seit 2006 teilweise und seit Dezember 2010 ganz in Betrieb. Seither wurden mehrere 100 000 Neutrinos nachgewiesen. Das ist angesichts der Flüchtigkeit der Neutrinos allein schon ein wissenschaftlicher Erfolg. Noch spektakulärer sind aber die Messergebnisse, die vor wenigen Tagen an einer Konferenz in Madison (USA) vorgestellt wurden: Die Forscher haben unter den aufgespürten Neutrinos 28 Exemplare mit besonders hoher Energie (30 bis 1200 TeV) gefunden. Warum dies aufsehenerregend ist, sagt Teresa Montaruli, Professorin für Astrophysik an der Universität Genf: „Praktisch alle Neutrinos, die wir messen, haben ihren Ursprung in der Erdatmosphäre; sie entstehen, wenn die kosmische Strahlung auf die Erdatmosphäre trifft und dort in verschiedene Teilchen zerfällt. Die 28 Neutrinos mit hoher Energie aber sind höchstwahrscheinlich nicht in der Erdatmosphäre entstanden, sie sind vermutlich astrophysikalischen Ursprungs und stammen aus bisher nicht identifizierten Quellen im Universum.“

Boten aus dem Unbekannten

Dass es sich bei den hochenergetischen Neutrinos um Boten aus anderen Galaxien handelt, ist sehr wahrscheinlich, muss durch weitere Messungen aber noch definitiv bestätigt werden. Bis Ende dieses Jahres dürften die Messdaten so umfangreich sein, dass die Physiker mit hinreichender Sicherheit sagen können, ob sie wirklich Neutrinos entdeckt haben, die von ausserhalb unserer Galaxie stammen. Falls sich dieser Befund bestätigt, wäre das ein „Meilenstein in der Astrophysik“, wie Teresa Montaruli ausführt: „Neutrinos sind nämlich die denkbar besten Boten, um das Universum zu untersuchen. Weil sie alle Materie durchdringen, können sie das gesamte Universum durchmessen und damit sehr viel erzählen über die Entstehung des Universums seit dem Big Bang.“ Sollten die Neutrinos aus den Überbleibseln kollabierter Supernovae oder von Schwarzen Löchern stammen, würden sie wohl wichtige Auskünfte liefern, um diese astrophysikalischen Phänomene noch besser zu verstehen.

Die neusten Hinweise sind atemberaubend, doch bleiben für die Forscher noch viele Fragen offen. Zum Beispiel die Frage, ob die hochenergetischen Neutrinos aus einer Punktquelle stammen oder nicht. Um dies zu bestimmen, brauchen die Physiker ebenfalls noch weitere Daten von Ice Cube. Teresa Montaruli erwartet diese mit besonderer Spannung. Die Frage, ob die Neutrinos aus einer Punktquelle stammen, wird von den Forscherinnen und Forschern der Universität Genf nämlich mit besonderer Aufmerksamkeit verfolgt. „Wir haben in Genf eine besonders geeignete Methode entwickelt, um diese Frage zu beantworten“, sagt die Genfer Astrophysikerin, „unsere Forschungsgruppe steht bei der Beantwortung der Frage weltweit an der Spitze.“

Weitere Informationen zum Ice Cube-Experiment (in englischer Sprache): http://icecube.wisc.edu/

Benedikt Vogel (veröffentlicht: 30. Mai 2013)

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