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Verfolgen und einfangen – die langwierige Suche nach magnetischen Monopolen

Existiert ein Elementarteilchen, das eine einzelne magnetische Ladung trägt? Dieser grundlegenden Frage widmet sich ein Experiment, das gegenwärtig am CERN bei Genf durchgeführt wird. Vor kurzem hat die MoEDAL-Forschungskollaboration ihre ersten Ergebnisse publiziert. Bisher wurde noch kein neues Teilchen entdeckt, aber erst jetzt kommt das Experiment wirklich in seine heisse Phase. Prof. Philippe Mermod und sein Team an der Universität Genf spielen eine tragende Rolle bei der Suche nach einem fundamentalen magnetischen Teilchen.

Prof. Philippe Mermod, Teilchenphysiker an der Universität Genf und am CERN

Der Large Hadron Collider (LHC) am CERN ist der leistungsfähigste Teilchenbeschleuniger weltweit. Die beiden grössten LHC-Experimente – ATLAS und CMS – haben 2012 das Higgs-Boson entdeckt. Aber ATLAS und CMS sind nicht die einzigen Experimente, welche die Kollisionen zwischen hochenergetischen Teilchen im LHC-Ring für ihre Zwecke nutzen. Eines der anderen LHC-Experimente heisst MoEDAL. Die Abkürzung steht für 'Monopole and Exotics Detector At the LHC'. Die internationale MoEDAL-Kollaboration vereint mehr als 60 Physikerinnen und Physiker. Auch von Schweizer Seite gibt es mit der Forschungsgruppe um Prof. Philippe Mermod (Genf) eine starke Beteiligung. Mermod (38) ist SNF-Professor am Department für Teilchenphysik der naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Genf. Ein von ihm geleitetes Team, zu dem ein Wissenschaftler und zwei Doktoranden gehören, beteiligen sich an der Suche nach einer „neuen Physik“ mit dem ATLAS- und dem MoEDAL-Experiment.

Ein Teilchen mit einem einzigen Magnetpol

Das wissenschaftliche Ziel des MoEDAL-Experiments ist die Identifizierung von neuen, langlebigen ionisierenden Teilchen. Eine spezielles Interesse gilt der Suche nach magnetischen Monopolen (mit isolierten magnetischen Ladungen 'Nord' oder 'Süd'). Dabei würde es sich um die symmetrischen Gegenstücke zu den bekannten elektrischen Ladungen (Plus oder Minus) handeln. Bisher sind erst magnetische Dipole bekannt, in denen Nord- und Südpol nicht getrennt werden können, da bei diesen das magnetische Feld durch elektrischen Strom erzeugt wird und nicht aus einer ursprünglichen magnetischen Quelle stammt. Der magnetische Monopol war vom Physiker Paul Dirac im Jahr 1931 vorhergesagt worden. Seine Theorie liefert eine einfache Erklärung, warum elektrische Ladung gequantelt ist, indem er die Existenz eines magnetischen Monopols postuliert. Magnetische Monopole spielen zudem eine zentrale Rolle in den Theorien, welche die Vereinigung von starker, schwacher und elektromagnetischer Kraft herbeiführen könnten, wie der russische Physiker Alexander M. Polyakov und sein niederländischer Kollege Gerard 't Hooft in den 1970er Jahren unabhängig voneinander gezeigt haben.

Leider konnten magnetische Monopole bisher nicht experimentell nachgewiesen werden, obwohl Physiker sie über Jahrzehnte gejagt haben. Mit jedem neuen Teilchenbeschleuniger und verbessertem Energieregime haben Teilchenphysiker versucht, magnetische Monopole aufzuspüren. Am LHC kann diese Suche nun mit der höchsten jemals möglichen Kollisionsenergie unternommen werden. Im Sommer 2016 hat die MoEDAL-Kollaboration ein wissenschafltiches Papier im 'Journal of High Energy Physics' veröffentlicht. Die schlechte Nachricht: Der magnetische Monopol ist noch nicht gefunden. Die gute Nachricht: Den Forschern ist es dank einer neuartigen Detektionsmethode gelungen, das Fenster einzuengen, in dem das erwähnte Teilchen gefunden werden kann – sofern es existiert. Philippe Mermod: „Mit dem Prototyp des MoEDAL-Fangdetektors konnten wir den Querschnitt der Monopol-Produktion (bzw. die Wahrscheinlichkeit, ein Monopol-Paar in einer Kollision zu produzieren) bezüglich Masse und Ladung in einer Ausmass einengen, wie das anderen Experimente bisher nicht gelang.“

Verfolgen und einfangen

Das MoEDAL-Experiment am LHC ist so konstruiert, dass es die Transitbahnen von neuen, hoch-ionisierten Teilchen, wie es magnetische Monopole sind – nachzeichnen und solche Teilchen einfangen kann. Um beide Aufgaben – verfolgen und einfangen – zu meistern, benutzt MoEDAL zwei Arten von Detektoren: Der erste ist der Nuclear Track Detector (NTD). Er besteht aus Plastikfolien, die in der Lage sind, hoch-ionisierende Teilchen nach deren Auftauchen, Herausschneiden und optischem Scanning zu identifizieren. Der zweite ist der trapping detector (Fangdetektor), der hauptsächlich durch Philippe Mermod und sein Wissenschaftlerteam entwickelt wurde. „Als ich 2011 zu MoEDAL stiess, habe ich vorgeschlagen, das Experiment durch einen zusätzlichen Subdetektor zu ergänzen. In einer Studie zeigte ich damals, was wir mit dem Fangdetektor untersuchen können. Die MoEDAL-Kollaboration war sehr fasziniert von diesem Vorschlag. Er wurde schliesslich umgesetzt, und dank seiner Hilfe liegen jetzt die ersten Ergebnisse von MoEDAL vor!“

Mermod skizziert, wie der Fangdetektor arbeitet: „Wir platzieren ein Alumimum-Volumen aus übereinander gestapelten Stäben in der Nähe der Kollisionspunkte des LHC. Wenn magnetische Monopole diese Volumina durchqueren, werden sie abgebremst und ein gewisser Anteil von ihnen wird ganz gestoppt und bleibt innerhalb der Stäbe gefangen. Wir erwarten, dass jeder magnetische Monopol an einen Aluminium-Kern bindet. In diesem Zustand können wir die Präsenz von magnetischen Monopolen zweifelsfrei nachweisen, indem wir die Stäbe mit einem supraleitenden Magnetometer untersuchen. Diese Analyse mache ich mit meinem Team im Labor für natürlichen Magnetismus an der ETH Zürich. Dort steht das landesweit einzige Gerät, das für solche Messungen geeignet ist.“ Seit dem Start des Experiments haben wir in Zürich nicht weniger als 1278 Aluminium-Proben untersucht.

Einmalige Gelegenheit

Es wurde viel Arbeit geleistet, um den MoEDAL-Detector in seiner aktuellen Ausprägung zu bauen und die ersten Daten zu sammeln. Aber die aufregendste Zeit steht den Wissenschaftlern wohl in den kommenden Monaten erst noch bevor. Die Ergebnisse vom Sommer 2016 wurden im Jahr 2012 genommen und basieren auf einer Kollisionsenergie von 8 TeV. In der Zwischenzeit ist die Energie auf 13 TeV erhöht. Diese Energie verbessert die Chancen signifikant, neue Teilchen zu entdecken, wie Philippe Mermod betont: „Die interessantesten Ergebnisse von MoEDAL werden erst noch kommen. Wir arbeiten nun mit den höchsten je in einem Teilchenbeschleuniger verfügbaren Energien. Wenn magnetische Monopole mit Massen von wenigen TeV existieren, sollten sie in den nächsten Jahren bei uns auftauchen.“

Die Entdeckung eines neuen Teilchens wäre der Höhepunkt von Philippe Mermods wissenschaftlicher Karriere. Der Schweizer Forscher hat an der Universität Genf Physik studiert und erwarb danach seinen Doktortitel in Uppsala (Schweden). Dann arbeitete er als Postdoc in Stockholm (Schweden) und Oxford (GB), dies unter dem Dach des ATLAS-Experiments. 2011 kehrte er als SNF-Ambizione fellow nach Genf zurück und übernahm 2014 eine SNF-Professur. Der neue MoEDAL-Fangdetektor wurde gemeinsam mit der Universität von Alberta (Kanada) gebaut und in Zürich in Kooperation mit dem ETH-Labor für natürlichen Magnetismus gescannt. Die Simulationssoftware für die Datenauswertung wurde durch eine Gruppe von MoEDAL-Mitarbeitern aus verschiedenen Instituten geschrieben, koordiniert von Mermod. Das Forschungsprojekt wird vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF) unterstützt und profitiert zudem von einer Unterstützung des Marc Birkigt Fund der Société Académique de Genève.

Autor: Benedikt Vogel

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