Die SCNAT und ihr Netzwerk setzen sich für eine nachhaltige Gesellschaft und Wissenschaft ein. Sie unterstützen Politik, Verwaltung und Wirtschaft mit Fachwissen und pflegen den Dialog mit der Öffentlichkeit. Sie stärken den Austausch über die wissenschaftlichen Disziplinen hinweg und fördern den akademischen Nachwuchs.

Bild: Sebastian, stock.adobe.com

Synthetische Biologie: Bakterien erkennen Darmentzündungen

Forschende der Synthetischen Biologie an der Rice University, Texas, haben Darmbakterien so verändert, dass sie entzündliche Darmerkrankungen in Mäusen erkennen können. Diese Forschungsarbeit ebnet den Weg für neue Experimente, um die molekularen Wechselwirkungen zwischen Darmbakterien und dem menschlichen Körper zu erforschen. Sie legt zudem den Grundstein für die Entwicklung von essbaren Bakterien, welche zukünftig Gesundheit und Krankheit des Darms überwachen könnten.

Biosensoren für Darmentzündungen
Bild: J. Tabor, Rice University

Synthetische Biologen wie Jeffrey Tabor, der dieses Projekt geleitet hat, sind darin spezialisiert, einzellige Organismen wie Bakterien zu programmieren – ähnlich wie Ingenieure z.B. einen Roboter programmieren. Tabors Team arbeitet insbesondere an der Entwicklung von bakteriellen Sensoren, welche Krankheitsanzeichen im Darm erkennen können. Ähnlich zu Elektroingenieuren, die Schaltkreise aus Drähten und elektronischen Bauteilen zusammenbauen, nutzt Tabors Forschungsgruppe genetische Schaltkreise, um komplexe Innformationsverarbeitung in Mikroorganismen zu ermöglichen.

Vorherige Arbeiten legten den Schluss nahe, dass Veränderungen in der Darmflora zusammen mit genetischer Veranlagung sowie anderen Umweltfaktoren eine Schlüsselrolle in entzündlichen Darmerkrankungen spielen. Allein in den USA leiden gegen 1.6 Millionen Menschen an diesen Krankheiten, welche unter anderem Morbus Crohn und Colitis ulcerosa einschliessen.

„Basierend auf bereits vorliegenden Studien, stellten wir die Hypothese auf, dass das Molekül Thiosulfat bei Darmentzündungen erhöht sein könnte“, sagt Kristina Daeffler, Mitautorin der Studie. „Bisher war es für Wissenschaftler schwierig, diese Verbindung zu untersuchen. Es gab keine Methode, um Thiosulfat in lebenden Tieren zuverlässig zu messen. Unser erstes Ziel in diesem Projekt war es deshalb, eine solche Methode zu entwickeln.“

Bereits zu Beginn des Projektes in 2015 hatten die Forschenden die Idee, Bakterien als Sensoren zu benutzen - in diesem Fall eine genetische programmierten Form von Escherichia coli. Diese Bakterien sollen so programmiert werden, dass sie Thiosulfate sowie andere verwandte Schwefel-Verbindungen aufspüren. Die Methoden, um E. coli Bakterien so zu programmieren, dass sie als Antwort auf einen spezifischen Stimulus ein fluoreszierendes grünes Protein produzieren, waren bereits etabliert. Hingegen waren in von keinem Organismen Gene bekannt, die zur Erkennung von Thiosulfat benutzt werden, und nur einzelne Gene für die anderen chemischen Verbindungen.

Mitautor Ravi Sheth nutzte deshalb ein Computer-Programm, um potentielle Sensoren für Thiosulfat und andere Schwefelverbindungen aufzuspüren. Er suchte dazu im Erbgut von Shewanella-Bakterien, die in Meeressedimenten vorkommen. Daeffler arbeitete anschliessend ein Jahr daran, die Sensor-Gene in E.coli zu übertragen, ihre Funktion zu prüfen und sie so zu optimieren, dass sie als Antwort auf die potentiellen Biomarker ein grün fluoreszierendes Protein Signal produzieren. Es dauerte ein weiteres Jahr, um zu zeigen, dass das System in Mäusen funktioniert und dort Dickdarmentzündungen erkennt.

Dazu verabreichten die Forschenden gesunden wie auch kranken Mäusen zwei Tropfen einer Flüssigkeit, die ungefähr eine Milliarde Sensor-Bakterien enthielt. Sechs Stunden später massen sie die Aktivität der Sensor-Bakterien in beiden Gruppen. Tatsächlich war das grün fluoreszierende Protein im Kot der Mäuse zu erkennen - zwar nicht von blossem Auge, aber mit Hilfe eines in Labors gängigen Messgeräts.

Das Team konnte zeigen, dass der Thiosulfat-Sensor nur in Mäusen mit Entzündungen, nicht aber in gesunden Tieren aktiviert war. Darüber hinaus zeigte sich, dass je stärker eine Maus an Entzündungen litt, desto aktiver war der Sensor.

Gemäss Tabor zeigt diese Studie, dass es grundsätzlich möglich ist, Darmbakterien mit genetisch programmierten Sensoren auszurüsten. Diese können dann als non-invasive Messinstrumente für spezifische Stoffwechselprodukte genutzt werden, beispielsweise um ein breites Spektrum von Darmprozessen zu erforschen.

Zukünftig könnten die Sensor-Bakterien vielleicht auch umprogrammiert werden, um Darmentzündungen im Menschen zu diagnostizieren. Ob Thiosulfat auch als Biomarker beim Menschen taugt, ist allerdings noch unklar, und mehrere Jahre Entwicklungsarbeit stehen noch bevor. Im Weiteren wäre es gemäss Tabor sinnvol, das grün fluoreszierende Protein mit einem Enzym zu ersetzen, welches einen Farbstoff produziert.

„Wir würden gerne einen Entzündungs-Test für zu Hause entwickeln. Menschen mit einer Veranlagung für Darmentzündungen könnten dann ein Joghurt mit genetisch programmierten Bakterien essen. Erkranken sie tatsächlich an einer Darmentzündung, erkennen sie dies am blauen Farbstoff während dem Toilettengang.“ Tabor ist der Meinung, ein solcher Test könnte die Anzahl überflüssiger teurer Arztbesuche und überflüssiger invasiver Darmspiegelungen reduzieren. Eine Zusammenarbeit mit Gastroenterologen ist bereits geplant.

Source: Text übersetzt und angepasst von einer Pressemitteilung der Rice University.

Kategorien

  • Synthetische Biologie