«Social Learning Videos» vermitteln Handlungswissen
ProClim Flash 74
Wie lassen sich Gebäudeeigentümerinnen und -eigentümer motivieren, ihre Immobilien vor Überschwemmungen zu schützen? «Social Learning Videos» nutzen spezifische Aha-Erlebnisse und Erfolgsfaktoren, um für Schutzmassnahmen zu sensibilisieren.
Text: , Wissensmanagement Umwelt GmbH, , Risikowissen und , Geografisches Institut der Universität Bern
Durch den Klimawandel nehmen intensivere Niederschläge und Extremereignisse zu, die vor allem in dicht besiedelten Gebieten zu grösseren Schäden führen könnn. Bereits heute sind zwei Drittel der Gebäude in der Schweiz durch oberflächlich abfliessendes Wasser gefährdet. Mit einfachen Vorkehrungen am Gebäude oder durch Nutzungsanpassungen könnten die Eigentümerinnen und Eigentümer sich selber und Sachwerte vor Hochwasser schützen.
Jedoch sind diese Naturgefahren bei ihnen bislang kaum ein Thema1, da bisher vor allem technische Informationen zum Objektschutz – also Systemwissen2 – in einer primär für Fachpersonen gewohnten Sprache verfasst wurden. Um dieses Systemwissen zugänglich zu machen, sollte es in zielgruppenspezifisches Handlungswissen übersetzt werden, eingebettet in ein passendes soziales Umfeld mit Vorbildern und glaubwürdigen Fachpersonen.
Strategien zum Schutz vor Überschwemmungen
In einem Projekt des Pilotprogramms «Anpassung an den Klimawandel» entstanden im Jahr 2020 drei «Social Learning Videos» zum Thema «Erfolgreicher Objektschutz – Strategien zum Schutz vor Überschwemmungen».
Im ersten Video zum Oberflächenabfluss wird ein einzelnes Starkniederschlagsereignis von verschiedenen betroffenen Akteurinnen und Akteuren kommentiert. Die Eigentümerin berichtet, dass das «bisschen» Wasser nicht nur einen hohen Sachschaden verursacht hat, sondern die Situation auch emotional sehr belastend war. Sie entdeckt auf der Gefährdungskarte zum Oberflächenabfluss3, dass sie in einem überschwemmungsgefährdeten Gebiet lebt.
Das zweite Video zum Thema Wildbäche zeigt, wie bei einer Einfamilienhausplanung der Objektschutz von Anfang an einbezogen wurde. Neben der Bauherrschaft treten deshalb auch der Gemeindepräsident, ein Versicherungsexperte und ein Architekt auf. Letzterer betont, wie wichtig eine intensive Diskussion zwischen den beteiligten Akteurinnen und Akteuren sei, damit die richtigen Schutzmassnahmen bereits in die Planung einfliessen würden.
Das dritte Video zum Thema Seehochwasser greift als ergänzende Argumentation die wirtschaftlichen Einbussen – aufgrund wiederholter Hochwasser – der Stadt Locarno auf.
Die Videos zeigen auf, dass verschiedenen Akteure und Akteurinnen für gute Objektschutzlösungen eng zusammenarbeiten müssen, weil nur so Wissen geteilt und übersetzt werden kann.
Einsatz der Videos in Netzwerken
Die Videos eignen sich als Einführung bei Veranstaltungen und als Beiträge aus der Praxis in der Aus- und Weiterbildung. Sie unterstützen den Erfahrungsaustausch zwischen Eigentümern, Architektinnen, Gemeindebehörden und Gebäudeversicherungen und eignen sich sowohl für berufliche als auch für persönliche oder nachbarschaftliche Netzwerke. Die Aha-Erlebnisse führen zu individuellem und organisationalem Lernen und Handeln. Die Intention wäre, dass auch die Zielgruppen als soziale Vorbilder sowie Multiplikatorinnen und Multiplikatoren die Videos einsetzen und weiterleiten.
Zielgruppenspezifisches Handlungswissen als Mehrwert
Der Mehrwert der «Social Learning Video»-Methode für die Klimakommunikation liegt in einer für die Zielgruppen verständlichen Sprache und einem unmittelbar zugänglichen Denkstil. Dazu gehören zielgruppenspezifisches Handlungswissen mit Erkenntnisprozessen, Herausforderungen und Erfolgsfaktoren. Zusätzlich erhöhen Bilder das Interesse und die Aufnahmefähigkeit – und es werden für Lernprozesse wichtige soziale Faktoren wie die Glaubwürdigkeit von Fachpersonen der Gebäudeversicherungen und die Vorbildfunktion der Akteure und Akteurinnen genutzt.
Es ist allerdings herausfordernd, die Orte des Austauschs zu finden; die COVID-19-Pandemie mit den beschränkten Präsenzveranstaltungen verstärkt dies. Umso mehr sollten die Filme über digitale Kanäle beworben und in Online-Veranstaltungen eingesetzt werden, zum Beispiel durch Gebäudeversicherungen, Gemeindebehörden und Bauherrinnen. Nicht zuletzt bieten die Filme gerade in derzeit digitalen und kontaktbeschränkten Kontexten eine Brücke in real existierende Lebenswelten.
Referenzen
1Lellig C, Graf O, Moser S (2014) Kommunikation für einen wirksamen Gebäudeschutz. In: Schlussbericht zur 7. Ausschreibung der Präventionsstiftung der Kantonalen Gebäudeversicherungen KGV. Bern
2ProClim (1997) Forschung zu Nachhaltigkeit und Globalem Wandel – Wissenschaftspolitische Visionen der Schweizer Forschenden. proclim.scnat.ch/de/id/Yzz6d?embed=anmvL
3BAFU (2020) Gefährdungskarte Oberflächenabfluss. www.bafu.admin.ch/bafu/de/home/themen/naturgefahren/fachinformationen/naturgefahrensituation-und-raumnutzung/gefahrengrundlagen/oberflaechenabfluss.html
4Fry P (2018) Social learning videos: a method for successful collaboration between science and practice. In: Transdisciplinary Research and Sustainability: Collaboration, Innovation and Transformation. (Ed. Padmanabhan M.), Routledge.
5Fry P (2017) Multistakeholder discussion group. naturwissenschaften.ch/de/id/qaGLf. 13.04.2021.