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Neue Wege zur Reduktion des Energiekonsums der Haushalte

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Kochen, waschen, pendeln – all das braucht Energie. In der Schweiz fallen rund 50 Prozent des Energieverbrauchs auf die Haushalte. Mit welchen Massnahmen lässt sich der Verbrauch zukünftig senken?

Klimafreundlich unterwegs mit dem Lastenvelo. Damit dieses Transportmittel auch rege genutzt wird, müssen Städte Infrastruktur wie etwa genügend  grosse Parkplätze zur Verfügung stellen. Foto: David Fuentes – stock.adobe.com
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Text: , Universität Basel

Schweizer Haushalte verbrauchen viel Energie. Sei es fürs Heizen, fürs Kochen oder um mit dem Auto von A nach B zu gelangen. Zwar konnte in der Schweiz in den letzten Jahren der Pro-Kopf-Verbrauch insgesamt reduziert werden, in den Haushalten – die Mobilität mit eingerechnet – ging er jedoch kaum zurück. Dort fallen rund 50 Prozent des gesamten Energieverbrauchs an. Um das im Energiegesetz angestrebte Ziel zu erreichen, den Energieverbrauch bis 2035 gegenüber 2000 um 43 Prozent zu senken, sind deshalb auch die Haushalte stark gefordert.

Um deren Energieverbrauch zu senken, setzte die Schweiz bisher vor allem auf die Förderung energieeffizienter Gebäude. Mittlerweile haben die meisten Kantone und Städte zudem verschiedene Massnahmen im Bereich der Mobilität angestossen. So werden zum Beispiel Lastenvelos gefördert oder Fahrstreifen für E-Bikes, Zonen mit Tempo 30 und Ladestationen für E-Autos geschaffen. Bei der vom Volk abgelehnten Revision des CO2-Gesetzes standen Lenkungsabgaben auf fossilen Brennstoffen im Zentrum, um den Energieverbrauch zu reduzieren.

Gewohnheitstier mit Verlustängsten

Aus der ökonomischen, psychologischen und sozialwissenschaftlichen Forschung kommen allerdings stichhaltige Argumente und Evidenz, dass sich der Energieverbrauch der Haushalte mit solchen Massnahmen nicht substanziell verringern lässt. Zum Beispiel verhalten wir Konsumentinnen und Konsumenten uns nicht automatisch rational. So kaufen wir nicht unbedingt das energieeffizienteste Gerät, selbst wenn dieses über die gesamte Lebensdauer günstiger wäre. Denn häufig treffen wir unsere Entscheide unbewusst und lassen uns von unseren Gewohnheiten leiten. Ein kaputtes Gerät ersetzen wir lieber durch das gleiche Modell, weil wir seine Funktionsweise schon kennen. Weder Aufklärung noch finanzielle Anreize bewirken viel, um solche Gewohnheiten aufzubrechen.

Ein weiteres Problem besteht darin, dass sich das öffentliche Ziel der Reduktion des Energieverbrauchs nicht einfach so auf die Ziele einzelner Haushalte übertragen lässt. Das beginnt schon damit, dass wir unseren Energieverbrauch eher als Nebeneffekt wahrnehmen, der bei der Befriedigung unserer Lebensbedürfnisse entsteht: Wir tanken unser Auto nicht des Tankens willen, sondern weil wir unsere Tante besuchen wollen. Rückt dieser Nebeneffekt in den Vordergrund, kann dies Verlustängste wecken und entsprechende Gegenreaktionen provozieren: Wir lassen uns nicht einschränken, weil wir sonst unsere Lebensbedürfnisse nicht mehr befriedigen können.

Weiter hat die sozialwissenschaftliche Forschung der letzten 10 bis 15 Jahre gezeigt, dass die Energiewende stark von Gerechtigkeitsfragen geprägt ist: Es gibt Gewinner und Verlierer. Und Letztere empfinden die Massnahmen eher als ungerecht. Der Widerstand gegen Energiesparmassnahmen hat zudem oft damit zu tun, dass sozial schlechter gestellte Bevölkerungsschichten das Gefühl haben, vor allem sie trügen die Bürde, während die Bessergestellten profitierten.

Schubsen wirkt nur bedingt

Welche Optionen stehen der Politik für eine erfolgreiche Energiewende also zur Verfügung, wenn Effizienzmassnahmen und finanzielle Instrumente alleine zu wenig bewirken?

Psychologinnen und Psychologen propagieren oft Nudging (siehe Box unten) als Königsweg. Solche Verhaltensschubser sind in der Tat wichtig und unterstützend, haben aber ihre Grenzen. Sie verändern nicht die intrinsische Motivation unseres Handelns. Dementsprechend werden auch noch so viele Nudges unser Verhalten nicht tiefgreifend beeinflussen. Der Entscheid, auf das Auto zu verzichten oder sich fleischarm zu ernähren, ist nicht das Ergebnis von Nudging.

Kosten und Nutzen sind gerecht zu verteilen

Wirkungsvolle Massnahmen müssen möglichst gerecht ausgestaltet werden. Eine ausgewogene Verteilung von Kosten und Nutzen ist nicht nur ein Gebot der sozialen Verantwortung, sondern erhöht auch die Akzeptanz. Mit dem Begriff der «gerechten Energiewende» hat die EU diese Erkenntnis in ihre Energiepolitik aufgenommen. Es gilt unter anderem sicherzustellen, dass bereits benachteiligte Gruppen nicht das Gefühl vermittelt erhalten, primär die Lasten tragen zu müssen.

Ist ein fleischloses Leben ein schlechtes Leben?

Schliesslich müssen wir weniger über Reduktion und Verzicht diskutieren, sondern vielmehr darüber, wie wir unsere Zukunft mit oder dank den Veränderungen positiv gestalten können. Hier steht eine Frage im Zentrum, die unser Verhalten wesentlich beeinflusst: Was ist eine gute Lebensqualität? Führen Menschen mit einer fleischarmen Diät, weniger Wohnfläche oder ohne Auto ein schlechteres Leben? Dafür gibt es keine wissenschaftliche Evidenz, jedenfalls dann nicht, wenn ein solcher Lebensstil Ausdruck geänderter Präferenzen ist.

Selbstverständlich kann es nicht in erster Linie Aufgabe des Staates sein, hier zu wirken. Aber es gibt mittlerweile viel Literatur darüber, was auch ein liberaler Staat diesbezüglich tun kann. Er kann beispielsweise als Vermittler auftreten oder er kann Infrastruktur bereitstellen, die eine ressourcenschonende Lebensführung erleichtert: indem zum Beispiel Parkplätze für Lastenvelos geschaffen werden oder der Weg zur Tramstation kürzer ist als zu den Autoparkplätzen. Oder es können bürokratische Hürden abgebaut werden, etwa wenn es darum geht, neue Wohnformen zu etablieren. All diese zusätzlichen Massnahmen werden helfen, den Energiekonsum der Haushalte zu senken.

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Was ist Nudging?
Beim Nudging (engl. für «anstossen», «schubsen» oder «stupsen») bringt man jemanden auf mehr oder weniger subtile Weise dazu, etwas Bestimmtes zu tun oder zu unterlassen. So kann beispielsweise ein Stromanbieter eine ökologische Variante seines Angebots als Standard festlegen. Die meisten Leute werden die Auswahl so übernehmen – auch Personen, deren erste Wahl vielleicht nicht die ökologische Variante wäre. Denn eine Änderung würde einen zusätzlichen Aufwand erfordern.

  • Klimafreundlich unterwegs mit dem Lastenvelo. Damit dieses Transportmittel auch rege genutzt wird, müssen Städte Infrastruktur wie etwa genügend  grosse Parkplätze zur Verfügung stellen. Foto: David Fuentes – stock.adobe.com
  • Paul Burger ist Professor für Nachhaltigkeitsforschung und leitet seit 2006 den Fachbereich Nachhaltigkeits­forschung an der Universität Basel. Er ist verantwortlich für die sozialwissen­schaftliche Lehre im Masterstudiengang Sustainable Development.
  • Klimafreundlich unterwegs mit dem Lastenvelo. Damit dieses Transportmittel auch rege genutzt wird, müssen Städte Infrastruktur wie etwa genügend grosse Parkplätze zur Verfügung stellen. Foto: David Fuentes – stock.adobe.comBild: David Fuentes - stock.adobe.com1/2
  • Paul Burger ist Professor für Nachhaltigkeitsforschung und leitet seit 2006 den Fachbereich Nachhaltigkeits­forschung an der Universität Basel. Er ist verantwortlich für die sozialwissen­schaftliche Lehre im Masterstudiengang Sustainable Development.Bild: Universität Basel2/2

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