GCOS Schweiz – Das System der Schweizer Klimabeobachtung
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Der Klimawandel ist eine der grossen Herausforderungen unserer Zeit – Aber woher wissen wir eigentlich, dass sich das Klima ändert? Welche Beobachtungen stehen uns zur Verfügung? Wer steckt hinter der Klimabeobachtung der Schweiz?
Klimabeobachtung – Ein grosses Puzzle
Payerne, 11:00 Uhr UTC – Wie jeden Mittag seit dem Jahr 1950 lässt MeteoSchweiz hier einen mit Wasserstoff gefüllten, weissen, menschenhohen Wetterballon steigen. Während dem zügigen Aufstieg mit 5 m/s misst eine am Ballon befestigte Sonde unter anderem die Temperatur in luftiger Höhe.
Derlei Temperaturmessungen finden nicht nur in der Schweiz, sondern auf der ganzen Welt statt. Doch sind diese nur ein Puzzleteil des gesamten Klimabeobachtungssystems. Beobachtungen von weiteren Variablen wie Niederschlagsmengen, Treibhausgaskonzentrationen, Bodenkohlenstoffgehalt und viele mehr müssen beobachtet werden, um schlussendlich fundierte Aussagen über unser Klima machen zu können.
Das globale Klimabeobachtungssystem
Damit die einzelnen Variablen wie Puzzleteile zusammengeführt werden können, muss deren Beobachtung koordiniert werden. Dieser Herausforderung nimmt sich das globale Klimabeobachtungssystem – kurz GCOS – an. GCOS steht für «Global Climate Observing System» und ist ein internationales Programm mit dem Ziel, Daten zur Atmosphäre, den Ozeanen und der Landoberfläche allen Interessierten zugänglich zu machen. Das globale Programm muss allerdings vor allem auf nationaler Ebene umgesetzt werden. In der Schweiz gibt es deshalb GCOS Schweiz, das nationale Klimabeobachtungssystem. Dieses wird durch das Swiss GCOS Office beim Bundesamt für Meteorologie und Klimatologie MeteoSchweiz koordiniert.
Der Schweizer Beitrag
Die systematische Beobachtung des Klimas hat in der Schweiz eine sehr lange Tradition. Sie geht mehr als 200 Jahre zurück. Damals, im Jahr 1808, begannen Wissenschaftler in Genf, den Zeitpunkt des Blattausbruchs einer bestimmten Rosskastanie zu notieren. Mit der Zeit kamen immer mehr solche klimarelevanten Variablen hinzu. Zum Beispiel starteten 1893 die systematischen Messungen der Längenänderung von Schweizer Gletschern und 1926 starteten die ersten Ozonmessungen in Arosa. Gegenwärtig zählen die Beobachtungen von 33 Variablen zum Klimabeobachtungssystem der Schweiz.
Neben den eigentlichen Beobachtungen beinhaltet das Schweizer Klimabeobachtungssystem auch deren Qualitätssicherung. So betreibt zum Beispiel die Empa ein World Calibration Centre (WCC) des Global Atmosphere Watch Programms. Regelmässige, weltweite Stationsaudits durch das WCC stellen die Qualität und Rückführbarkeit der Messungen auf gemeinsame Referenzen sicher. Weiter ist auch das Bereitstellen der erhobenen Daten wichtig, beispielsweise durch das internationale Datenzentrum für Gletscherdaten – World Glacier Monitoring Service (WGMS) – an der Universität Zürich. Der WGMS sammelt weltweit glaziologische Daten und stellt sie interessierten Nutzerinnen und Nutzern zur Verfügung.
Wer steckt hinter GCOS Schweiz?
Die systematische Beobachtung von klimarelevanten Variablen und der Betrieb von internationalen Kalibrations- und Datenzentren wird in der Schweiz erst durch die Arbeit von 26 Partnerinstitutionen ermöglicht. Hinter diesen Institutionen stehen zahlreiche engagierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Einige von ihnen haben uns hier eine kurze Frage zu ihrem Spezialgebiet beantwortet:
Matthias Huss (ETH Zürich), die Gletscher schmelzen – wie gehen Sie damit um, dass Ihre Arbeitsgrundlage verschwindet?
«Dass die Gletscher schmelzen, schmerzt mich persönlich. In dieser Zeit der schnellen Veränderungen sind Messungen auf dem ‹ewigen› Eis aber besonders spannend und es ist umso wichtiger, ein besseres Verständnis der Prozesse zu erhalten, um für Bedrohungen und Chancen der Zukunft gewappnet zu sein.»
Reto Meuli (Agroscope), wie erklären Sie den Zusammenhang zwischen dem Klima und dem Bodenkohlenstoffgehalt?
«Der Kohlenstoff im Boden ist in einem permanenten Auf- und Abbau. Dieser Prozess wird durch das Klima in unterschiedlicher Art und Weise beeinflusst. Im Bodenmonitoring-Programm werden diese Veränderungen durch periodische Messungen über lange Zeiträume erfasst und publiziert.»
Martin Steinbacher (Empa), was ist Ihre grösste Herausforderung beim Messen von Treibhausgasen?
«Treibhausgase wie Kohlenstoffdioxid, Methan und Lachgas sind langlebig, folglich sind zeitliche und räumliche Variationen ihrer Konzentrationen in der Atmosphäre gering im Vergleich zum absoluten Gehalt. Deshalb braucht es sehr präzise und international gut harmonisierte Beobachtungen, um Trends zu bestimmen und um relevante Quellen- und Senkenprozesse besser zu verstehen.»
Michael Zemp (WGMS), wie würden Sie die Menge an Daten verbildlichen, die beim WGMS gespeichert sind?
«Aktuell beinhaltet unsere Datenbank 61 500 Beobachtungen zur Änderung von 9500 Gletschern weltweit. Wenn man pro beobachteter Gletscheränderung drei Arbeitstage für Messung, Analyse, Übermittlung und Datenbankintegration veranschlagt, dann kommt man auf eine Investition in die Gletscherbeobachtung von 840 Arbeitsjahren oder 84 Millionen Schweizer Franken, welche durch den WGMS frei verfügbar gemacht wird.»
Michelle Stalder (MeteoSchweiz, Swiss GCOS Office), wenn Sie eine Zeitmaschine hätten, welche Schweizer Messreihe hätten Sie gerne früher gestartet und warum?
«Die weltweit wichtigste Kohlendioxidmessreihe startete Ende der 1950er Jahre auf Hawaii. Mit einer Zeitmaschine würde ich deshalb gerne in diese Zeit zurückreisen und zeitgleich Kohlendioxidmessungen auf dem Jungfraujoch in Betrieb nehmen. Damit gäbe es weltweit zwei solche langen Messreihen, die ein detaillierteres Bild zur globalen Kohlendioxidkonzentration ermöglichen würden.»
Breiter Nutzen des Schweizer Klimabeobachtungssystems
Die Messungen des Schweizer Klimabeobachtungssystems helfen uns einerseits, langfristige Änderungen unseres Klimas zu erkennen und, im Zusammenspiel mit Modellen, Abschätzungen der Zukunft zu machen. Sie unterstützen somit die Behörden, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft dabei, klimabedingte Risiken zu erkennen und zu verringern. Beispielsweise bilden die Beobachtungen die Grundlage für die Arbeit vom National Centre for Climate Services (NCCS). Als Netzwerk des Bundes für Klimadienstleistungen erarbeitet das NCCS Antworten auf Fragen wie: «Wird es in Zukunft stärker regnen und deswegen grössere Überschwemmungen geben?»
Die systematischen Beobachtungen verschiedener klimarelevanter Variablen lassen sich wie Puzzleteile zu einem nationalen und schlussendlich globalen Klimabeobachtungssystem zusammensetzen. Die Schweiz leistet mit ihren national koordinierten Beobachtungen sowie internationalen Kalibrations- und Datenzentren wie dem WCC oder dem WGMS einen wesentlichen Beitrag zu diesem Gesamtbild.
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