Die Synthetische Biologie zielt darauf ab, biologische Systeme zu entwerfen, nachzubauen oder zu verändern. Das Webportal beleuchtet naturwissenschaftliche, ethische, rechtliche und gesellschaftliche Aspekte der Synthetischen Biologie. Ein Fokus liegt dabei auf Projekten und Aktivitäten in der Schweiz.mehr

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Gene Drive

Die Gene Drive-Technik ist ein besonderes Werkzeug der Synthetischen Biologie. Sie erlaubt es nämlich, eine genetische Veränderung in eine natürliche Population einzubringen und auf alle Individuen auszubreiten. So könnten eines Tages z.B. jene Mücken bekämpft werden, die Malaria übertragen. Doch Gene Drives sind auch mit grossen Herausforderungen im Bezug auf Sicherheit, Umweltauswirkungen und ethischen und gesellschaftlichen Fragen verbunden.

Genedrive

Die Gene Drive-Technik zielt darauf ab, eine Eigenschaft rasch und präzise in einer bestehenden, frei lebenden Population zu verändern oder neu einzubringen. Das Prinzip ist simpel: Eine gewollte genetische Veränderung wird zusammen mit einem genetischen Kopiermechanismus in einen Organismus eingebracht. Dieser Mechanismus überträgt die gewünschte Veränderung immer auf beide Kopien eines Zielgens. Dadurch erhalten alle Nachkommen die Veränderung und diese breitet sich im Laufe der Generationen in der Population aus.

> Wie funktioniert ein Gene Drive genau?

Vererbung ohne und mit Gene Drive
Vererbung ohne und mit Gene DriveBild: angepasst von Marius Walter

Bei der normalen klassischen Vererbung wird eine genetische Veränderung (hier rot dargestellt) nur an die Hälfte der Nachkommen weitergegeben (linkes Schema). Bei einem Gene Drive hingegen wird die Veränderung an alle Nachkommen vererbt und kann sich so in der Population ausbreiten (rechtes Schema).

Bei verschiedenen Organismen haben sich Gene Drives natürlicherweise entwickelt, etwa bei Hefen, Würmern, Insekten, Fischen und Nagern. Bereits vor über 50 Jahren hatten Wissenschafter die Idee, dieses Phänomen zu nutzen, um Eigenschaften in Populationen gezielt zu verändern. Die Entwicklung solcher synthetischer Gene Drives verlief jedoch lange harzig. Die Entdeckung der Genom Editierung-Technologie CRISPR/Cas9 vor wenigen Jahren gibt der Entwicklung dieser Technik nun neuen Antrieb. Im Labor wurden bereits erste Versuche mit CRISPR/Cas9-basierten Gene Drives erfolgreich durchgeführt, z.B. in Hefen1, Fruchtfliegen2 und Mücken3.

Vielfältige Anwendungen denkbar

Die Anwendungsmöglichkeiten für die Gene Drive-Technik sind vielfältig. Allerdings müssen zwei Bedingungen erfüllt sein:

  1. Die Art muss sich geschlechtlich fortpflanzen. So funktionieren Gene Drives z.B. nicht bei Bakterien und Viren und kaum bei jenen Pflanzenarten, welche sich mehrheitlich vegetativ vermehren
  2. Die Generationszeit muss relativ kurz sein. Die Technik ist also z.B. ungünstig für die meisten grossen Säugetierarten mit langen Generationszyklen.

Mögliche Anwendungen werden besonders in folgenden Bereichen diskutiert:

  • Krankheitsbekämpfung
    Im Zentrum steht die Kontrolle von Insekten, welche Krankheiten übertragen wie die Anopheles-Mücken (Malaria) oder die Tigermücke (Dengue- und Zika-Fieber). An Malaria allein sterben jährlich über 400’000 Menschen, die meisten davon Kinder in Afrika4. Mit Gene Drives könnten die Anopheles-Populationen stark dezimiert oder gar ausgerottet werden, z.B. indem ein für die Fortpflanzung nötiges Gen ausgeschaltet wird. Ein anderer Ansatz besteht darin, die Mücken gegenüber dem Malaria-Erreger resistent zu machen, so dass sie die Krankheit nicht länger übertragen.

  • Landwirtschaft
    In der Landwirtschaft könnte die Technik eingesetzt werden, um Schadinsekten zu kontrollieren. Eine weitere Einsatzmöglichkeit wäre die Bekämpfung von Unkräutern, welche gegenüber Herbiziden resistent geworden sind. Diese Resistenzgene könnten mit Hilfe eines Gene Drive ausgeschaltet werden.

  • Umweltschutz
    Gene Drives könnten dafür eingesetzt werden, um vom Aussterben bedrohte Tierarten vor Krankheiten zu schützen, z.B. vor der Vogelmalaria. Die Technik könnte auch zur Kontrolle invasiver Arten genutzt werden. Beispielsweise könnte man eingeschleppte Ratten, die auf Inseln einheimische Vogelarten bedrohen, damit bekämpfen.

Wieso ist das Synthetische Biologie?

Die Gene Drive-Technik ist ein Werkzeug der Synthetischen Biologie. Sie nutzt neueste Methoden aus der Molekularbiologie kombiniert mit Computermodellierungen, um ein biologisches System gezielt und kontrolliert zu verändern.

> Was ist Synthetische Biologie?

Herausforderungen

Untersuchungen haben gezeigt, dass in einer Population rasch Resistenzen gegenüber dem Gene Drive auftreten5 und eine Ausbreitung innerhalb der ganzen Population verhindern. Um die Resistenzentwicklung zu verlangsamen, versuchen Forschende z.B. mehrere Gene Drive-Konstrukte zu kombinieren. Viele Experten sind allerdings skeptisch, ob Gene Drives je in natürlichen Populationen die gewünschte Wirkung erzielen können.

Gene Drives sind mit Risiken verbunden. Zurzeit finden nur Forschungsarbeiten im Labor oder Halbfreiland (z.B. in Käfigen) statt. Doch auch diese erfordern angepasste Biosicherheitsmassnahmen (Biosafety), da sich ein Gene Drive bei einer unbeabsichtigten Freisetzung theoretisch rasch ausbreiten könnte. Forschungsarbeiten mit Gene Drives unterliegen in der Schweiz und in Europa strengen Vorschriften zum Schutz von Mensch und Umwelt. Diese verlangen spezifische Sicherheitsmassnahmen, welche in der Schweiz von Bundes- und Kantonsbehörden überprüft werden.

Ein weiteres Risiko betrifft die missbräuchliche Verwendung von Gene Drives (Biosecurity) zu militärischen oder terroristischen Zwecken. So könnten z.B. Mücken so verändert werden, dass sie ein Gift auf Menschen übertragen.

Bevor Gene Drives eines Tages in der Natur freigesetzt werden könnten, müssen auch die ökologischen Auswirkungen genau untersucht werden; z.B. stellt sich die Frage, welchen Einfluss die Elimination oder Reduktion einer Mückenpopulation auf das Ökosystem hat. Dabei gilt es, solche Umweltrisiken immer im Vergleich zu bereits bestehenden Strategien zu untersuchen, z.B. im Vergleich zum Einsatz von Insektiziden. Erste Freilandversuchen würden vermutlich auf isolierten Inseln durchgeführt werden; Freisetzungen in der nicht-isolierten Natur sind in absehbarer Zeit nicht zu erwarten.

Die Gene Drive-Technik wirft auch ethische und gesellschaftliche Fragen auf. Wie schwer wiegen die Risiken für Mensch und Umwelt einer Anwendung im Vergleich zum erwarteten Nutzen? Steht es dem Menschen zu, willentlich das Erbgut einer Art für immer zu verändern oder eine Art gar auszulöschen? Wer verfolgt mit dieser Technologie welches Ziel? Und wer entscheidet letztlich darüber, ob und wo Gene Drives eingesetzt werden oder nicht?

> Meinungen von Expertinnen und Experten zu "Gene Drives"

> Ethische Aspekte der Synthetischen Biologie

Aktivitäten in der Schweiz

Anna Lindholm an der Universität Zürich studiert natürlich vorkommende Gene Drives in Mäusen. Diese Forschung kann Anhaltspunkte dafür liefern, wie sich synthetische Gene Drives in natürlichen Populationen verhalten könnten.

Forschung mit synthetischen Gene Drives sind uns zurzeit keine bekannt.

Referenzen

1 DiCarlo et al. (2015) Safeguarding CRISPR-Cas9 gene drives in yeast. Nature Biotechnology 33, 1250–55.Link

2 Gantz and Bier (2015) The mutagenic chain reaction: A method for converting heterozygous to homozygous mutations. Science 348 (6233): 442-4. Link

3 Gantz et al. (2015) Highly efficient Cas9-mediated gene drive for population modification of the malaria vector mosquito Anopheles stephensi. PNAS 112 (49) E6736-43. Link

4 World Health Organization WHO (2017) World Malaria Report 2017. Link

5 Callaway (2017) Gene drives meet the resistance. Nature News. Link

Weitere Literatur

National Academy of Sciences (2016) Gene drives on the horizon. Link

Esvelt et al (2014) Concerning RNA-guided gene drives for the alteration of wild populations. eLife 3:e03401. Link

Oye et al (2014) Regulating gene drives. Science 345 (6197) : 626-8. Link

Piaggio et al (2016) Is it time for synthetic biodiversity conservation? Trends Ecol Evolut 32 (2) 97-107. Link