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Schlüsselfaktor, aber kein Wundermittel

ProClim Flash 78

Methoden der nachhaltigen Landwirtschaft und klimagerechten Lebensmittelproduktion können die Bildung von Humus und damit die Speicherung von Kohlenstoff im Boden fördern. Steigende Temperaturen, kleinere Tierbestände und ein reduzierter Einsatz von Mineraldünger bergen aber das Risiko, die Biomasseproduktion und den Humus eher zu reduzieren.

Die «drei Schwestern» Mais, Bohne und Kürbis: Mit komplexen Fruchtfolgen und der Berücksichtigung des Bodens können wir unter dem Einfluss des Klimawandels nachhaltig Lebensmittel produzieren.
Bild: Markus Steffens

Text: , Maike Krauss, Else Bünemann, Adrian Müller, Forschungsinstitut für biologischen Landbau FiBL

Unser Ernährungssystem trägt signifikant zum Klimawandel bei, unter anderem weil die Landwirtschaft durch die Anwendung von Betriebsmitteln wie Düngern, Pestiziden und Treibstoffen grosse Mengen Treibhausgase emittiert. Ein Teil der Emissionen kann durch Prozessoptimierungen reduziert werden – in der Schweiz schätzungsweise um die 15 Prozent. Es ist aber unumstritten, dass die Landwirtschaft immer Treibhausgase emittieren wird. Aufgrund der unvermeidbaren natürlichen Prozesse führt jegliche Stickstoffdüngung zu Emissionen von Lachgas (N2O). In der Tierhaltung werden grosse Mengen Methan (CH4) durch Wiederkäuer sowie Lachgas und Methan durch Hofdünger und Emissionen aus bewirtschafteten Böden emittiert. Je nach Betrachtungszeitraum ist das Erwärmungspotenzial von Methan und Lachgas um ein Vielfaches grösser als jenes von CO2.1

Andererseits kann durch die nachhaltige Bewirtschaftung von Böden Kohlenstoff aus der Atmosphäre in der organischen Substanz der Böden (Humus) gebunden und so der Atmosphäre entzogen werden. Eine Senkenwirkung lässt sich auch durch die Bindung von Kohlenstoff in lebender Biomasse erreichen, zum Beispiel in Agroforstsystemen (gleichzeitige Nutzung einer landwirtschaftlichen Fläche für Weide/Ackerbau und Bäume). Rechnerisch können so andere Emissionen kompensiert werden – etwa im Rahmen eines Emissionshandels, bei dem eine Partei CO2 in Böden speichert, wobei ein Handelspartner für entsprechende Emissionsrechte bezahlt.

In der Landwirtschaft werden aktuell viele Kompensationsprojekte im Zusammenhang mit Agroforst, Ausbringung von Pflanzenkohle und Carbon farming lanciert. Insbesondere im Carbon farming werden Massnahmen propagiert, die auch in der nachhaltigen Landwirtschaft angewendet werden – etwa reduzierte Bodenbearbeitung, kontinuierliche Bodenbedeckung, diversifizierte Fruchtfolgen mit Einbezug von Kunstwiesen und der Einsatz von kohlenstoffreichen organischen Düngern. Für einige dieser Massnahmen ist ein positiver Effekt auf den Gehalt an organischer Bodensubstanz (Humusaufbau) wissenschaftlich belegt. Trotzdem gibt es dabei mehrere Probleme: Erstens können Böden nur eine begrenzte Menge Humus aufbauen respektive Kohlenstoff speichern (Limitierung); zweitens ist die Speicherung nicht dauerhaft und kann bei einer veränderten Nutzung wieder verloren gehen (Permanenz); und drittens können die Zugewinne dadurch entstehen, dass organische Substanz importiert wird und andere Standorte dadurch verarmen, da sie Bodenkohlenstoff und Humus verlieren (Leakage).2

Steigende Temperaturen verlangsamen Humusaufbau

Neben diesen Limitierungen gibt es noch ein grundlegendes Problem bei den Wechselwirkungen zwischen Bodenqualität/Humusgehalt, Ernährungssystem und Klima(wandel). Die Wissenschaft geht davon aus, dass mit steigender Temperatur auch der Umsatz der organischen Substanz steigt – dass also Mikroorganismen aktiver werden und organische Substanz schneller abbauen. Modellierungen zeigen, dass die Einträge von organischer Substanz in Mitteleuropa bis zum Jahr 2099 um 29 bis 93 Prozent gesteigert werden müssen, um den Humusgehalt überhaupt konstant zu halten.3, 4 Ein Humusaufbau über das bestehende Niveau hinaus wird somit in Zukunft immer schwieriger. In der Beratung ist deshalb vor übertriebenen Erwartungen an die Kompensationsmöglichkeiten der Landwirtschaft zu warnen und sollte vor allem auf den Erhalt des vorhandenen Humus fokussiert werden. Jede der genannten Massnahmen umzusetzen, ist in der Zukunft demnach kein «Nice to have», sondern ein «Must do» in Anbetracht der Herausforderungen durch den Klimawandel.

Wenn sich unser Ernährungssystem in den nächsten Jahren in Richtung kleinerer Tierbestände und zirkulärer Wirtschaftsweisen verändert, kommen weitere Herausforderungen hinzu. Durch die damit einhergehende Reduktion der Futtermittelimporte und Mineraldüngergaben würde der Umsatz an Biomasse in der Landwirtschaft und somit die Verfügbarkeit organischer Dünger eher sinken. Dies gilt insbesondere für Gülle und Mist, die für die «Ernährung der Böden» besonders wertvolle organische Dünger sind. Diese Entwicklungen sind aber zentral, damit die Landwirtschaft wieder innerhalb der Tragfähigkeit lokaler Ökosystemgrenzen arbeitet, die Stickstoffüberschüsse reduziert und die Biodiversität besser schützt. Standortangepasste Fruchtfolgen und Bewirtschaftungsweisen sowie optimiertes Biomassemanagement (Kompostführung oder Methangewinnung in Biogasanlagen) helfen, die Herausforderungen zu bewältigen. Langfristig wird aber die Gefahr, Humus zu verlieren, eher grösser, und die Nachfrage nach zusätzlichen Kohlenstoffeinträgen wird bei eher sinkendem Angebot steigen.

Geschlossene Nährstoffkreisläufe in zirkulären Ernährungssystemen

Die Problematik ist bekannt, und die Politik versucht auf unterschiedlichen Ebenen gegenzusteuern. So möchte die EU die Nutzung von so genannten biobasierten Düngern (bio-based fertilisers) verstärken, insbesondere um Nährstoffkreisläufe von Stickstoff und Phosphor zu schliessen. Diese sollten den Böden möglichst auch Kohlenstoff zuführen. Klimaschutz, geschlossene Nährstoffkreisläufe in zirkulären Ernährungssystemen und humusreiche Böden sind unabdingbar für eine nachhaltige und produktive Landwirtschaft. Wir können alles zusammen erreichen – wenn wir überzogenen Erwartungen vermeiden (zum Beispiel zum Senkenpotenzial der Böden), keine einseitigen Lösungen propagieren (zum Beispiel zu sehr auf hohe Erträge fokussieren), systemische Ansätze verfolgen (zum Beispiel Lebensmittelverschwendung konsequent vermeiden) und die vorliegenden Erkenntnisse und Praxiserfahrungen richtig anwenden.

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Markus Steffens ist Co-Leiter Gruppe Bodenfruchtbarkeit & Klima und arbeitet wie alle Co-Autor:innen am Forschungsinstitut für biologischen Landbau FiBL.

Maike Krauss ist Co-Leiterin der Gruppe Anbautechnik Ackerbau.

Else Bünemann-König ist Leiterin des Departments für Bodenwissenschaften.

Adrian Müller arbeitet am Departement für Agrar- und Ernährungssysteme.

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Referenzen

[1] Neu U (2022) Klimawirkung und CO2-Äquivalent-Emissionen von kurzlebigen Substanzen. Swiss Academies Communications 17 (5).

[2] Paul C et al. (2023) Carbon farming: Are soil carbon certificates a suitable tool for climate change mitigation? Journal of Environmental Management 330.

[3] Riggers C et al. (2021) How much carbon input is required to preserve or increase projected soil organic carbon stocks in German croplands under climate change? Plant and Soil 460(1-2): 417-433.

[4] Wiesmeier M et al. (2016) Projected loss of soil organic carbon in temperate agricultural soils in the 21st century: effects of climate change and carbon input trends. Scientific Reports 6.

Die «drei Schwestern» Mais, Bohne und Kürbis: Mit komplexen Fruchtfolgen und der Berücksichtigung des Bodens können wir unter dem Einfluss des Klimawandels nachhaltig Lebensmittel produzieren.
Die «drei Schwestern» Mais, Bohne und Kürbis: Mit komplexen Fruchtfolgen und der Berücksichtigung des Bodens können wir unter dem Einfluss des Klimawandels nachhaltig Lebensmittel produzieren.Bild: Markus Steffens

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