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Grundwassernutzung im Wandel – Tagungsdokumentation

Rund 120 Teilnehmende diskutierten am 26. Oktober 2023 in der ausverkauften Empa-Akademie mit 13 Referierenden zum Thema «Grundwassernutzung im Wandel». Die vier Themenblöcke Nahrungsmittelproduktion, Biodiversität, Infrastruktur und Energienutzung sowie Trinkwasserproduktion boten einen vertieften Einblick in die Wasserreserven im Untergrund.

Grundwassernutzung im Wandel – Teaser
Bild: Studio K.O. / SCNAT

Mit gut 150 von 341 Kubikkilometern entfällt fast die Hälfte der Wasserreserven in der Schweiz auf das Grundwasser. Da es sich grösstenteils im Untergrund verbirgt, tritt dieser Umstand eher selten ins Bewusstsein der Öffentlichkeit. An der Tagung «Grundwassernutzung im Wandel» vom 26. Oktober 2023 diskutierten rund 120 Teilnehmende mit 13 Referierenden, welchen Einfluss klimatische sowie andere anthropogene Veränderungen auf die Grundwassernutzung haben und wie sich dieser Wandel auf die Nahrungsmittelproduktion, Biodiversität, Infrastruktur und Energienutzung sowie Trinkwasserproduktion auswirkt.

Corin Schwab, stellvertretende Chefin der Sektion Grundwasserschutz beim Bundesamt für Umwelt, bot zum Einstieg einen Einblick in die zahlreichen parlamentarischen Vorstösse, die auf den Schutz des Grundwassers abzielen. Ein besonders wichtiger Antrag ist die Motion Zanetti 20.3625 | Wirksamer Trinkwasserschutz durch Bestimmung der Zuströmbereiche, die darauf abzielt, die Zuströmbereiche von Trinkwasserfassungen abzugrenzen, damit Massnahmen ergriffen werden können, um eine Kontamination zu verhindern und kostspielige Sanierungsmassnahmen zu vermeiden. Schwab betonte zudem, dass Gewässerschutz eine langfristige Aufgabe und ein «moving target» ist.

Nahrungsmittelproduktion

Block 1 widmete sich dem Thema Nahrungsmittelproduktion und ihrem Konfliktpotenzial mit dem Grundwasserschutz, sprich Wasserqualität, und der Wasserquantität.

Annelie Holzkämper, Wissenschaftlerin und Teamleiterin Gewässerschutz bei Agroscope, zeigte auf, dass der Klimawandel ein erhebliches Konfliktpotenzial in Bezug auf Wasser und Landwirtschaft birgt: Der Wasserbedarf ist stark von der Pflanzensorte abhängig. Um diesen Herausforderungen zu begegnen, besteht die Möglichkeit, die Anpassungsfähigkeit in der Landwirtschaft zu erhöhen. Dies kann durch die verstärkte Nutzung von Wintergetreide, die Auswahl von kulturangepassten Sorten, die Förderung von tiefwurzelnden Pflanzen und alternative Futtermittel wie Sorghum anstelle von Mais erfolgen. Veränderungen in der Bodenstruktur sowie eine effizientere Bewässerung, beispielsweise Tröpfchenbewässerung, könnten ebenfalls Wege zur Anpassung an den Klimawandel darstellen, wobei jedoch nicht jede Methode für jedes System geeignet ist.

David Brugger, Leiter des Geschäftsbereichs Pflanzenbau beim Schweizer Bauernverband, betonte ebenfalls, dass der Klimawandel ein grosses Problem darstellt, da die Erträge und die Qualität von Kulturen negativ beeinflusst werden. So erfordern Kartoffeln eine beträchtliche Menge Wasser und sind sehr anfällig auf Trockenperioden. Schon eine gering Qualitätseinbusse hat in der Verarbeitung drastische Folgen. Winterkulturen gewinnen an Bedeutung, aber es gibt diverse Herausforderungen, zum Beispiel in Bezug auf die Fruchtfolgen. Der Bewässerungsbedarf wird in Zukunft zunehmen. Ansätze mit neuen Getreidesorten und gentechnisch veränderten Organismen sind vorhanden, jedoch ist die Akzeptanz in der Schweiz gering.

Adrian Auckenthaler, Leiter Ressort Wasser und Geologie bei Amt für Umweltschutz und Energie beim Kanton Basel-Landschaft und Präsident der Schweizerischen Gesellschaft für Hydrogeologie, zeigte am Einzugsgebiet der Ergolz auf, dass der Klimawandel die Abflüsse beeinflusst. Ein grosse Herausforderung für den Kanton Basel-Landschaft ist, dass die Trinkwasserproduktion und die Quellen teilweise weit weg von den landwirtschaftlichen Produktionsflächen sind. Die Landwirtschaft hat einen sortenabhängigen Wasserbedarf, der heute im Vergleich zur gesamten Trinkwasserproduktion relativ klein ist. Der Wasserbedarf wird jedoch zunehmen. Potenzielle Lösungsansätze umfassen lokale Wasserspeicher, Tröpfchenbewässerung, verbesserte Retention in Oberflächengewässern und Grundwasseranreicherung.

Biodiversität

Block 2 widmete sich dem Thema Biodiversität, denn das Grundwasser ist selbst ein lebendiges Ökosystem mit einer hohen biologischen Vielfalt, die unter anderem die Qualität des Grundwassers sicherstellt. Darüber hinaus sind mehrere Ökosysteme vom Grundwasser abhängig, beispielsweise Feuchtgebiete in der Nähe von Quellen und Moore. Diese sind nicht nur Hotspots der Biodiversität, sondern auch Lebensräume mit einer hohen Anzahl an bedrohten Arten.

Roman Alther, Oberassistent in der Forschungsgruppe von Prof. Dr. Florian Altermatt an der Universität Zürich und an der Eawag, bot einen Einblick ins Grundwasser als Lebensraum. Grundwasserorganismen sind die Urschweizer: Das Ökosystem war über Jahrmillionen stabil. Es gibt eine Vielzahl an angepassten Arten. Für Grundwasser fehlt der Referenzzustand. Man weiss auch einfach nicht genug – auch zum Zusammenhang zwischen Grundwasserfauna und Wasserqualität. Funktionsweisen des Oberflächengewässers können übertragen werden, aber es gibt keine abschliessende Antwort.

Célien Montavon leitet das CEMeco-Büro, das sich mit dem Erhaltungsmanagement von
Sümpfen und Mooren befasst. Er zeigte auf, dass das Grundwasser eine wichtige Rolle für die Neubildung von Mooren spielt. Moore sind anfällig gegenüber dem Klimawandel. Sie trocknen aber nicht nur wegen des Klimawandels aus, sondern auch wegen der Infrastruktur. Es werden daher Synergien gesucht: Man versucht das Grundwasser zu schützen durch Pufferzonen, auch hydrologische Pufferzonen.

Bruno Schelbert, Programmleiter Auenschutzpark Aargau, führte aus, dass die Grundwassernutzung stört die Biodiversität nicht – es müssen aber Lösungen gesucht werden. Jede Flussraumaufweitung leistet einen Beitrag zur Reduktion von Hochwasserspitzen. Allerdings bräuchte es grosse Räume, um einen grossen Einfluss zu haben. Dafür sind die Spitzen schlicht zu hoch. Trinkwasserfassungen ergeben in wichtigen Auengebieten schlicht keinen Sinn, da grosse bauliche Massnahmen zum Grundwasserschutz notwendig wären.

Infrastruktur und Energienutzung

Block 3 widmete sich dem Thema Infrastruktur und Energienutzung, denn die Infrastrukturentwicklung kann Chancen für eine nachhaltige Energienutzung eröffnen. Gerade in städtischen Gebieten, wo fortlaufend Veränderungen stattfinden, wird einerseits Regenwasser oft kanalisiert und abgeleitet, andererseits sind die Temperaturen im Untergrund oft zu hoch. Ein Schwammstadt-Konzept sowie Wärmemanagement können daher zu einer nachhaltigen Entwicklung urbaner Untergrundressourcen beitragen.

Kai Zosseder, Leiter der Gruppe für Geothermische Energie an der Technischen Universität München, zeigte am Beispiel der bayerischen Landeshauptstadt auf, wie einer nachhaltige Nutzung der Ressource zur Versorgung und Energiegewinnung gewährleistet werden soll. München möchte dabei bis 2035 klimaneutral werden. Die Urbanisierung und der Klimawandel sind dabei Herausforderung und Chance zugleich. In der thermischen Grundwassernutzung für Wärme und Kälte steckt viel Potenzial und wird schon konkret angewandt. Die TU München ist dabei federführend bei der Entwicklung von Tools und Onlinesystemen für thermisches Management.

Stephan Février, Fachbereichsleiter Energie bei der Holinger AG am Standort Basel, erläuterte Möglichkeiten von Wärmepumpen zur thermischen Grundwassernutzung. Eine grosse Herausforderung ist, dass Grundwasserleiter bereits intensiv für Trink- und Brauchwasser genutzt werden. Diverse Anwendungsbeispiele zeigen Chancen auf. So zeigt die Wärmeentnahme aus Tunnelluft beim Rheintunnel in Basel, dass sich mit der Kühlung der Tunnelluft vor dem Eintritt in den Grundwasserleiter der Einfluss auf Grundwassertemperatur aktiv steuern lässt. Zudem ist die Tunnelluft im Winter die bessere Wärmequelle als die Umgebungsluft.

Zoé Daeppen, Leiterin Verwaltung und Ableitung von Klarwasser bei der Stadt Lausanne, präsentierte mit dem Konzept der Schwammstadt ein wichtiges Instrument zur Erreichung der Klimaziele, der auf einen Paradigmenwechsel abzielen soll: Wasser sollte nicht mehr als Abfall, sondern als Ressource angesehen werden. Vorteile sind unter anderem die Erhaltung des Wasserkreislaufs, die Verringerung von Hitzeinseln und Hochwasserschutz. Herausforderungen sind dabei die geringe Infiltrationskapazität des Bodens, die Schadstoffbelastung des abfliessenden Wassers und das Silo-Denken verschiedener Interessensgruppen.

Die Zeiträume für die Implementation der Konzepte Schwammstadt und geothermische Anwendungen sind dabei eine grosse Herausforderung. Es ist notwendig, bestehende Datenbestände zu digitalisieren und die gegenwärtigen Gesetzesgrundlagen zu prüfen.

Trinkwasserproduktion

Block 4 widmete sich dem Thema Trinkwasserproduktion, denn in den letzten Jahren haben Klimawandel, Bevölkerungszunahme und Umweltauswirkungen die Verfügbarkeit von sauberem Trinkwasser und die Qualität des Grundwassers stark beeinflusst. Effektives Ressourcenmanagement soll sicherstellen, dass sauberes Trinkwasser auch zukünftigen Generationen zur Verfügung steht.

Oliver S. Schilling, Assistenzprofessor für Hydrogeologie an der Universität Basel und Eawag, legte dar, dass die meisten Grundwasserfliessmodelle, die häufig für die Trinkwasserversorgung genutzt werden, Fliesspfade, Fliessraten und Transport nicht verlässlich abbilden können. Werden allerdings diverse zusätzliche Messungen wie Tracerkonzentrationen hinzugezogen, können die Unsicherheiten bezüglich Fliess- und Transportvorhersagen in kritischem Masse reduziert werden. Neue Ansätze und Werkzeuge wie Onlinemessungen mit feldbasierten Geräten können hier helfen: Gelöste Gase und mikrobielle Informationen bieten neue Einsichten und stellen daher eine ideale Ergänzung dar. Solche interdisziplinäre Ansätze, die die Fortschritte verschiedener Disziplinen zu vereinen vermögen, können uns deutlich mehr Informationen liefern, wodurch besonders die Fliesspfade für die Trinkwasserversorgung besser beurteilt werden können.

Michela Conti, Mitglied der Geschäftsleitung bei Studio Ingegneria Sciarini SA in Gambarogno/Tessin, zeigte am Beispiel der Wasserversorgungsplanung im Piano di Magadino auf, dass es eine Koordinierung und Optimierung von Investitionen und Kosten beim Bau als auch Betrieb und Bewirtschaftung braucht. Es muss eine langfristige Planung, mit korrekter Dimensionierung der Infrastrukturen erstellt und eine Vermeidung von Doppelstrukturen, beispielsweise durch die Reduzierung von Reservoirs, angestrebt werden. Auch mit dem Ziel, den sparsamen Verbrauch zu fördern, ist eine ausgewogene und effiziente Koordination in der Wasserwirtschaft ist nötig. Für die Sicherung der Wasserversorgung in der Zukunft – quantitativ als auch qualitativ – braucht eine dynamische Wasserverteilung und ständiger Austausch von Wasser und Wissen – nicht nur in Notfällen.

Marc Affolter, kantonaler Hydrogeologe in der Waadt, erläuterte, dass die Planung in einem Kontext, in dem der Druck auf die (Trink-)Wasserressourcen steigt, sehr komplex ist und langfristig aufgebaut sein muss. Es kann jedoch immer Überraschungen geben wie die Auswirkungen von persistenten Stoffen, die vorab nicht in der Planung involviert waren. Dies kann – nebst Kontrollverlust – dazu führen, dass manchmal jahrzehntelange Arbeit und Investitionen in Frage gestellt werden. Daher braucht es ein integriertes, langfristiges Wassermanagement, das auch Priorisierung der Nutzung beinhaltet, so dass ein systematischer Fokus auf rationelle Nutzung im Interesse möglichst vieler Menschen besteht. Um die Wasserversorgung zu sichern braucht es ein Zusammenspiel auf allen Ebenen – Bund, Kantone, Gemeinden und Forschung.

Noch viel Potenzial vorhanden

Der intensive Austausch zwischen Wissenschaft, Praxis und Verwaltung über alle Kantons- und Sprachgrenzen hinweg zeigte, dass das Thema Grundwasser durchaus vermehrt in der Öffentlichkeit diskutiert werden sollte und noch viel Potenzial darin steckt.

Gastgeberinnen der Tagung waren die Schweizerische Hydrologische Kommission (CHy) der Akademie der Naturwissenschaften Schweiz (SCNAT), die Schweizerische Gesellschaft für Hydrologie und Limnologie (SGHL), das Schweizer Grundwasser Netzwerk (CH-GNet) und die Schweizerische Gesellschaft für Hydrogeologie (SGH).

Für 2024 ist eine Tagung zum Thema «Umwelt-DNA (eDNA)» unter dem Lead der SGHL vorgesehen. Datum und Ort werden noch bekanntgegeben.

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