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Gesellschaftliche Transformationen in der Geschichte

Im umfassenden Bericht «Welt im Wandel» sind verschiedene historische Beispiele von Transformationen dokumentiert, die wir hier mit Verweis auf das Originaldokument auflisten.

Gesellschaftliche Transformationen

Folgende fünf historische Beispiele veranschaulichen, wie Transformationen zu neuen Zuständen in der Gesellschaft führen – mit neuen Kerntechnologien, neuen Formen des Zusammenlebens und neuen Denkräumen.

siehe «Welt im Wandel» (dt. Fassung), S. 88
«Die Neolithische Revolution bezeichnet das Aufkommen und die Ausbreitung sesshafter Gesellschaften während der Jungsteinzeit. Nachdem die Menschheit zuvor ausschließlich in Jäger- und Sammlergemeinschaften gelebt hatte, erlernte sie zwischen 10.000 und 5.000 vor v. Chr. in verschiedenen Erdteilen unabhängig voneinander Vieh- und Ackerwirtschaft sowie die Möglichkeiten der Vorratshaltung. Dadurch wurden die Voraussetzungen zur Sesshaftigkeit geschaffen (Sieferle, 2010; Abb. 3.2-1, 3.2-2). (WBGU 2011, S.88).»

Mit der Sesshaftigkeit gingen höherer materieller Wohlstand, Wirtschaftswachstum, die Entstehung von wesentlich komplexeren und ausdifferenzierteren Gesellschaften sowie ein Anstieg des Energiebedarfs und grössere Eingriffe in die natürliche Umwelt einher.

siehe «Welt im Wandel» (dt. Fassung), S. 94
«Die Industrielle Revolution ist ein komplexer Prozess des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Umbaus vorindustrieller Gesellschaften. […] Im Zuge der Industriellen Revolution und der Industrialisierung wurde je nach Ressourcenausstattung des Landes das Energiesystem sowie die Energiequelle umgestellt. […] In allen sich industrialisierenden Ländern wurden nach und nach Biomasse sowie tierische und menschliche Arbeitskraft durch fossile Energieträger in Kombination mit neuen Technologien (Dampfmaschine, Eisenbahn, Auto, Traktor) ersetzt. […] Die Industrialisierung schaffte die Voraussetzungen für langfristiges Wirtschaftswachstum […]. Notwendige Bedingungen waren eine rechtsstaatliche Ordnung, Landreformen, Investitionen in Humankapital, gut ausgebildete Arbeitskräfte, Zugang zu natürlichen Ressourcen, Investitionskapital und evolutionäre Offenheit, die sich in einem gemeinsamen Weltbild der neuen Wissenselite und dem sich herausbildenden Unternehmertum widerspiegelte (Osterhammel, 2009; Sieferle, 2010). Erstmalig gelang es, einen begonnenen Innovationsschub dauerhaft aufrecht zu erhalten (WBGU 2011, S.94).»

siehe «Welt im Wandel« (dt. Fassung), S. 104
«Typisch für die neuen Produktionsverfahren der Grünen Revolution waren der komplementäre und zeitlich genau abgestimmte Einsatz neu entwickelter hochertragreicher Getreidesorten (High-Yielding Varieties), verbesserter Bewässerungsmethoden, synthetischen Stickstoffdüngers sowie von Pestiziden und Herbiziden (Komplementarität der Inputs). Damit einher ging die Mechanisierung der Landwirtschaft (Traktoren, Mäh- und Dreschmaschinen, Pumpbewässerung mit Dieselmotoren). Die Verbreitung dieser neuen Produktionstechniken wurde durch Beratung (Agricultural Extension Services), Subventionierung von Produktionsmitteln und Bereitstellung von Krediten bzw. Einrichtung von Landwirtschaftsbanken und zahlreichen Filialen intensiv gefördert. Die «Rezepte» der Grünen Revolution zur Steigerung der landwirtschaftlichen Erträge wurden in vielen Ländern Kernbestandteil der nationalen ländlichen Entwicklungsprogramme (Diffusion). Innerhalb weniger Jahre wurden weite Teile der Landwirtschaft in diesen Ländern revolutioniert (vom Nischenregime zum etablierten Regime). (WBGU 2011, S.105).»

siehe «Welt im Wandel» (dt. Fassung), S. 109

«Die Entwicklung des Internet ist eine fundamentale Transformation der Informations- und Telekommunikationstechnik (IT), die mitunter als digitale Revolution bezeichnet wird. In deren Folge wurde das bis dahin dominierende, auf analogen Technologien basierende Kommunikationsregime binnen weniger Jahrzehnte weitgehend durch digitale Technologien und den sich daraus ergebenden Kommunikations- und Handlungsmöglichkeiten ersetzt. Dabei gilt das Internet als Schlüsseltechnologie, die weite Bereiche des täglichen Lebens verändert (general purpose technology), also eine Technologie, die in einer Vielzahl von Sektoren einer Volkswirtschaft Anwendung findet und dort durch Produktivitätssteigerungen zum Wirtschaftswachstum beiträgt (WBGU 2011, S. 110).»

siehe «Welt im Wandel» (dt. Fassung), S. 112

«Die europäische Integration, deren konkreter Erfolg sich in der Europäischen Union manifestiert, wurde und wird maßgeblich von der Vision eines friedlichen und wirtschaftlich sowie politisch stabilen Europas angetrieben. […] Seither hat sich auf dem europäischen Kontinent in kaum mehr als fünfzig Jahren ein politisches, wirtschaftliches und rechtliches Projekt durchgesetzt, das inzwischen 27 Nationalstaaten einschließt (WBGU 2011, S. 112).»


Gesellschaftliche Transformationen in Richtung Nachhaltigkeit

Folgende zwei Beispiele zeigen gesellschaftliche Transformationen, die konkret gesellschaftliche Veränderungen in Richtung soziale und ökologische Nachhaltigkeit initiiert haben.

siehe «Welt im Wandel» (dt. Fassung), S. 102

«Über mehr als ein Jahrhundert entfaltete sich der Abolitionismus von seiner ursprünglich gesellschaftlichen Organisation gegen Ende des 18. Jahrhunderts bis zur weltweiten Ächtung und Abschaffung [inkl. Verbot] der Sklaverei im 20. Jahrhundert. […] Treiber des öffentlichen Gesinnungswandels zur Ablehnung der Sklaverei waren vor allem ethische Erwägungen. […] Betrieben wurde der zunächst rein zivilgesellschaftlich organisierte Abolitionismus als praktische Umsetzung christlich-humanitärer Forderungen, «wobei mit Erfolg außerparlamentarische Aktionen großen Umfangs als Mittel der Politik eingesetzt wurden» (Wende, 2001). […] In traditionellen Sklavengesellschaften hingen gesellschaftlicher Status und die Erwirtschaftung von Wohlstand nahezu völlig von Sklavenbesitz und Sklavenarbeit ab. Entsprechend groß waren hier die Widerstände gegen abolitionistische Bestrebungen. […] Die Wirkung auf politische Willensbildung und Prozesse, einschließlich der noch jungen amerikanischen Parteiendemokratie, wurde in den 1850er Jahren schließlich unübersehbar: Die Wahl des Republikaners Abraham Lincoln zum US-Präsidenten war nicht zuletzt deshalb möglich geworden, weil die Polarisierung der Sklaverei im Vorfeld der Präsidentschaftswahl zur Spaltung der bis dahin dominierenden Demokratischen Partei geführt hatte (Adams, 2009).

siehe «Welt im Wandel» (dt. Fassung), S. 109
«Als umfassende Reaktion auf ein globales Umweltproblem wurde das internationale Regime zum Schutz der Ozonschicht zur bislang größten Erfolgsgeschichte internationaler Umweltpolitik. […] Auslöser und Treiber der internationalen Politik zum Schutz der Ozonschicht waren Wissenschaftler und Wissensvermittler wie das UNEP. [Die UNEP verabschiedete an einer Konferenz mit WissenschaftlerInnen und Staatenvertretenden einen «Weltaktionsplan für die Ozonschicht»]. Erst die Entdeckung des sogenannten «Ozonlochs» durch den British Antarctic Survey 1985 führte jedoch zu einer breiten gesellschaftlichen Diskussion über die Risiken erhöhter UV-Einstrahlung. […] Das unter der Ägide des UNEP erarbeitete Montrealer Protokoll wurde am 16. September 1987 unterzeichnet und trat am 1. Januar 1989 in Kraft. Es wurde zunächst nur von 11 Staaten ratifiziert, die jedoch zwei Drittel des für 1986 geschätzten weltweiten Verbrauchs der betroffenen Substanzen repräsentierten. Heute gilt das Protokoll für 196 Parteien, einschließlich der Europäischen Union (WBGU 2011, S.109).»