Klimaszenarien CH2018
Wir beschreiben hier Sichtweisen von Vertreter:innen aus Wirtschaft, Politik und Verwaltung auf Forschung zu Klimawandel. Dies hilft uns, darüber nachzudenken, welche Rollen Wissenschaftler:innen in Nachhaltigkeitstransformationen einnehmen können und welche Beiträge der Wissenschaft für andere Anspruchsgruppen hilfreich sind.
Ko-Produktion von Wissen als Grundlage fürs Projekt CH-Impacts
Das Projekt «CH-Impacts» untersucht, wie sich Klimaveränderungen auf Menschen und Umwelt auswirken. Es baut auf den Klimaszenarien CH2018 des NCCS Climate Change auf (siehe Box). Ein Vorprojekt soll Wissenslücken identifizieren und Forschungsfragen formulieren. Diese sollen durch einen transdisziplinären Ansatz – das heisst durch die Ko-Produktion von Wissen mit Vertreter:innen der Verwaltung, Wirtschaft und Wissenschaft – angegangen werden können. Das Wissen soll Entscheidungsträger:innen helfen, geeignete Massnahmen, z.B. für die Anpassung an den Klimawandel, einzuleiten.
Basierend auf einem Austausch mit 60 Vertreter:innen aus Wissenschaft, Politik und Verwaltung im Mai 2019 wurden konkrete Fragen und Bedürfnisse von verschiedenen Anspruchsgruppen an die Wissenschaft gesammelt, die sich insbesondere auf die Bereiche Verfügbarkeit und Kommunikation von Forschungsergebnissen beziehen.
Wo bestehen Wissenslücken?
Die Diskussion zwischen den verschiedenen Anspruchsgruppen ergab, dass besonders in folgenden Bereichen Wissenslücken bestehen:
- Daten und Modelle
- Systemverständnis und Kaskadeneffekte
- Schutz und Nutzung natürlicher Ressourcen
- Infrastrukturen, Gebäude und Raumnutzung
- Auswirkungen auf Gesundheit, Wohlbefinden und Leistungsfähigkeit
- Tourismus: Betroffenheit und langfristige Planung
- Gesellschaftliche, ökonomische und sozioökonomische Themen
Die Herausforderung bei der Bearbeitung entsprechender Forschungsfragen stellt sich bei den komplexen Kontexten, beispielsweise beim Zusammenspiel von schleichenden Prozessen und Extremereignissen. Hinzu kommen Unsicherheiten in den Klimamodellen, Emissionsszenarien oder indirekten Auswirkungen des Klimawandels. Bei der Erarbeitung von Anpassungsmassnahmen müssen ausserdem viele Faktoren mitgedacht werden, so beispielsweise die Veränderung natürlicher Systeme, die sozio-ökonomische Bedingungen, das Konsumverhalten, die Bildung, die Wirtschaftsentwicklung und die Wertvorstellungen verschiedener Bevölkerungsgruppen.
Welche Beiträge wünschen sich die Praxis von der Wissenschaft?
Anhand der identifizierten Wissenslücken erhoffen sich Vertreter:innen von Behörden und Wirtschaft Unterstützung von der Wissenschaft in verschiedenen Bereichen:
Zielgruppengerechte Kommunikation
Obwohl das benötigte Wissen teilweise schon vorhanden ist, ist es Praxisakteur:innen nicht immer bekannt oder nicht in geeigneter Form verfügbar. Sie verfügen zudem oft nicht über die Ressourcen, um komplexe Informationen adäquat zu verarbeiten. Aus dieser Situation ergeben sich folgende Erwartungen an die Wissenschaft:
- Übersicht geben zu den vorhandenen Grundlagen oder Daten, um Kommunikation und Verbreitung zu erleichtern
- Verständliche Beschreibungen des möglichen Verwendungszwecks und allfällige Einschränkungen von Daten
- Zielgruppengerechte Aufarbeitung und differenzierte Kommunikation von Wissen aus der Forschung (Kommunikationskonzepte)
- Erarbeiten von Storylines
- Erstellen von Landkarten
Umgang mit komplexen Zusammenhängen
Die Kommunikation von Wissen soll auch die indirekten Auswirkungen des Klimawandels einschliessen (z.B. verändertes Wasserangebot, Gefahr von Murgängen, Fels-und Bergstürzen durch das Abschmelzen von Gletschern und Auftauen von Permafrost)
Die Risiken und Chancen der indirekten Auswirkungen und ein möglicher Umgang mit ihnen sollen aufgezeigt und diskutiert werden
Praxisorientierter Dialog
- Weiterbildung bezüglich vorhandener Daten, Statistiken und Grafiken sowie deren Interpretation
- Niederschwellige Unterstützung bei der Nutzung der Szenarien, z.B. in Form von direkter Beratung
Was bedeuten diese Erkenntnisse für die Wissenschaft?
Die Teilnehmer:innen waren sich einig, dass gute Lösungen für den Umgang mit dem Klimawandel und für dessen Eindämmung nur durch einen intensiven Dialog zwischen Wissenschaft und Praxis gefunden werden können. Für Wissenschaftler:innen ergibt sich daraus die Herausforderung, vereinfachte und auf die Zielgruppe angepasste Aussagen zu machen. Für ein zukünftiges Gesamtprojektbraucht es dafür geeignete Kommunikationskanäle, die sicherstellen, dass sich die Zusammenarbeit und Koordination zwischen Datenproduzent:innen und -nutzer:innen verbessert und das Wissen über Prozesse, Auswirkungen und Zusammenhänge dokumentiert und einfach verfügbar ist.
Wissenschaftler:innen sind demnach gefordert, ihre Rolle(n) im Austausch mit Datennutzer:innen zu überdenken: Für eine evidenz-informierte Politikgestaltung und Praxis braucht es neben den Wissenschaftler:innen, die sich der Datengenerierung widmen (reflexive scientist (Pohl et al. 2010), pure scientist (Pielke 2007), producer of scientific knowledge (Oberlack et al. 2019)), auch Wissenschaftler:innen, die Rollen im Dialog einnehmen. Beispielsweise verknüpfen Wissenschaftler:innen als intermediary (Pohl et al. 2010) die Erkenntnisse mit den Interessen verschiedener Zielgruppen. Als professional expert (Oberlack et al. 2019) bieten sie Hilfestellungen, damit das entstandene Wissen in den öffentlichen Diskurs Eingang findet. Oder sie beraten als knowledge broker (Pielke 2007), indem sie Alternativen aufzeigen und helfen, mit Szenarien umzugehen.
Dies ist ein vorläufiges Fazit und hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Im Projekt REDIRO geht es genau darum, verschiedene Rollen der Wissenschaft weiter zu reflektieren und diskutieren und so das Spektrum an Rollen auszuloten. |
Was sind die Klimaszenarien CH2018? Die Klimaszenarien des «National Center for Climate Change» des Bundes zeigen auf, wie sich das Klima bis 2050 in der Schweiz verändern kann. Die Simulation von Klimamodellen kombiniert mit der Beobachtung bisheriger Trends brachte die Szenarien «Trockene Sommer», «Heftige Niederschläge», «Mehr Hitzetage» und «Schneearme Winter» hervor. Das Szenario «Klimaschutz greift» beschreibt, wie die Reduktion der weltweiten Treibhausgasemissionen den Klimawandel eindämmen könnte und sich die möglichen Klimaveränderungen in der Schweiz bis 2050 um die Hälfte und bis 2100 um zwei Drittel verringern könnten (NCCS 2018). |