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Biodiversität in der Genossenschaft

Das Pilotprojekt der Heimstätten-Genossenschaft Winterthur (HGW) zeigt, wie Change-Maker aktiv auf die Wissenschaft zugegangen sind, um Grundlagenwissen abzuholen und Veränderungsprozesse anhand wissenschaftlicher Standards anzugehen. Dieses Beispiel zeigt auf, welche Rollen Wissenschaftler:innen in Nachhaltigkeitstransformationen einnehmen können und welche Beiträge der Wissenschaft für andere Anspruchsgruppen hilfreich sind.

Siedlungsnatur gemeinsam gestalten
Siedlungsnatur gemeinsam gestaltenBild: Illustration Svenja Plaas

Siedlungsnatur gemeinsam gestalten

Das Projekt bindet Bewohner:innen ein

Im Rahmen des Pilotprojektes erarbeiteten Mitarbeiter:innen und Bewohnern:innen der HGW in drei Siedlungen gemeinsam ein Konzept, das die Aussenräume der HGW-Liegenschaften ökologisch aufwertet und gleichzeitig die Bedürfnisse der Genossenschafter:innen berücksichtigt. Weil die ergriffenen Massnahmen von den Bewohner:innen der Liegenschaften akzeptiert und mitgetragen werden müssen, wurde ein partizipativer Prozess lanciert um eine Zonierung vorzunehmen. In Workshops und Umfragen, konnten sich Bewohner:innen dazu äussern, welche Aussenfläche wofür genutzt werden, wo gespielt wird und wo gerne gesessen wird und würde.

Wirkungsvolle Umgestaltung
Anhand dieser Erkenntnisse wurden verschiedene Flächen mit Hecken aus einheimischen Sträuchern abgegrenzt, ungenutzte Flächen in Blumenwiesen verwandelt oder mit Sträuchern bepflanzt, ein ungenutzter Basketballplatz entsiegelt, neue Sitzbereiche erstellt, ein Gebrauchsrasen in Gemeinschaftsgärten für die Bewohner:innen umgewandelt, Nistplätze für Kleinlebewesen und Insekten eingerichtet, einen Trampel-und Versteckispfad für Kinder gemacht und die Wege mit tier-und menschenfreundlicher Beleuchtung versehen. Schauen Sie sich hier ein paar eindrückliche Vorher-Nachher Fotos an!

Reflexionen zur Rollen der Wissenschaft bei der Einbindung von Anspruchsgruppen

Was bedeuten diese Erkenntnisse für die Wissenschaft?

Dieses Beispiel zeigt, dass verschiedene Beiträge der Wissenschaft für die Förderung von Biodiversität und die Aufwertung der Genossenschaftssiedlungen wichtig waren. So waren der Zugang zu Wissen, aber auch die Einordnung dieses Wissens war für die Genossenschaftsverwaltung entscheidend. Auch die methodische und konzeptuelle Beratung und die Unterstützung bei der systematischen Einbindung von Mitarbeiter:innen und Bewohner:innen waren hilfreich. Dazu brauchte es auch die Entwicklung von konkreten Massnahmen und Vorgehensweisen, um Befürchtungen abzufangen und Verhaltungsänderungen zu unterstützen. Für Wissenschaftler:innen ergibt sich daraus die Herausforderung und die Aufgabe, die Bedürfnisse der Change-Maker auf verschiedenen Ebenen zu erkennen und je nach dem die Rolle des reflexive scientist, des intermediary oder facilitator (Pohl et al. 2010), broker of alternatives (Pielke 2007), advisor, professional expert und facilitator/mediator (Oberlack et al. 2019)) einzunehmen, um die Change-Maker in der angestrebten Transformation gewinnbringend unterstützen zu können.

Dies ist ein vorläufiges Fazit und hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Im Projekt REDIRO geht es genau darum, verschiedene Rollen der Wissenschaft weiter zu reflektieren und diskutieren und so das Spektrum an Rollen auszuloten.

Transformation zu mehr Biodiversität* und Wohlbefinden

Das hier beschreibene Projekt will Aussenräume ökologisch aufwerten und die Aufenthaltsqualität der Bewohner:innen verbessern. Es geht also um eine Transformation hin zu einem Lebensraum, der Wohlbefinden für Menschen und verschiedene Tierarten bietet. Mehr Biodiversität soll das Leben in der Genossenschaft nicht nur ökologisch sondern auch sozial nachhaltiger machen: Das Wohlbefinden und die Gesundheit der Bewohner:innen wird gesteigert durch mehr Bewegung, Begegnung, Gartenarbeit, und tier-und menschenfreundliche Beleuchtung.


*Biodiversität ist die Basis unseres Lebens, denn sie reinigt Luft und Wasser, reguliert das Klima, ist Grundlage für unsere Ernährung, hat einen positiven Einfluss auf unsere Gesundheit und ermöglicht eine funktionierende Wirtschaft. Aufgrund von Änderungen in der Landnutzung, Ressourcenübernutzung, Klimawandel, Verschmutzung und gebietsfremden Arten nimmt die Biodiversität stark ab. Die Schweiz wirkt dem Biodiversitätsverlust mit Schutzgebieten und gezielten Fördermassnahmen in Gebirge, Gewässern, Mooren, Wald, Agrarland und Siedlungsräumen entgegen (BAFU 2023).

Das Projekt «Siedlungsnatur»

Mehr naturnahe und vernetzte Grünräume im Siedlungsraum und gleichzeitig eine verbesserte Lebensqualität der Menschen – das sind die Ziele des Projekts «Siedlungsnatur gemeinsam gestalten». Dabei soll Biodiversität in Wohn- und Arbeitsumgebungen sowie in öffentlichen Grünflächen gefördert und so mehr Begegnungs- und Bewegungsräume, ein angenehmes Stadtklima und mehr Natur vor der Haustüre geschaffen werden.

Das Projekt will Kriterien und Massnahmen zur Biodiversitätsförderung entwickeln, die beim Planen, während dem Bauen und beim Unterhalten von Gebäuden und Siedlungen beachtet und umgesetzt werden können. Das Projekt umfasst sechs Pilotprojekte, die quasi als Labore funktionieren, in denen partizipativ Lösungen erarbeitet werden.

Das Kernteam von Siedlungsnatur besteht aus vier wissenschaftsnah arbeitenden Personen mit Expertise in den Bereichen Biologie, Landschaftsarchitektur, Siedlungsökologie, Geographie, Nachhaltiger Entwicklung und Umwelt-und Wissenschaftskommunikation. Die Pilote befinden sich in verschiedenen Regionen der Deutsch- und Westschweiz und umfassen Liegenschaften in verschiedenen Planungs- und Bauphasen sowie in unterschiedlichen Eigentumsverhältnissen. Die aus den Piloten gewonnenen Erkenntnisse sollen auf andere Regionen und Projekte übertragbar sein und so landesweit Wirkung erzielen. Ziel ist es, dass die Biodiversität in Siedlungsräumen bei der Planung dereinst so selbstverständlich mitgedacht wird wie z.B. die Stromversorgung für ein Gebäude.

Unter Change-Maker verstehen wir Akteur:innen, die Transformationsprozesse initiieren, antreiben oder fördernd begleiten.


Beispiele für Change-Maker sind Gemeindebehörden und andere staatliche Institutionen, Vertretende der Zivilgesellschaft wie beispielsweise Sozialunternehmungen oder Quartiervereine, wirtschaftliche Pionier:innen oder andere transformativ wirkende wirtschaftliche Akteur:innen, etc.

Siedlungsnatur, Pilot Genossenschaftliches Wohnen:


Bundesamt für Umwelt (BAFU) (2023). Biodiversität in der Schweiz: Zustand und Entwicklung.

HOTSPOT Zeitschrift des Forum Biodiversität Schweiz (2019). Biodiversität im Alltag. 39/19

verfasst von Franziska Marfurt, in Zusammenarbeit mit Sandro Morsello (HGW Heimstätten)

September 2023

Pohl, C. et al. (2010). Researchers' roles in knowledge co-production: Experience from sustainability research in Kenya, Switzerland, Bolivia and Nepal. Science and Public Policy, 37(4)


Pielke, Jr, R. (2007). The Honest Broker: Making Sense of Science in Policy and Politics. Cambridge: Cambridge University Press


Oberlack, C. et al. (2019). Theories of change in sustainability science: Understanding how change happens. GAIA – Ecological Perspectives for Science and Society, 28 (2)