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Wie urbanes Grün die Hitze reduziert

ProClim Flash 79 | Hosted: GAW

Erhöhte Temperaturen und häufigere Extremwetterereignisse stellen für die Stadtbevölkerung ein erhebliches Gesundheitsrisiko dar. Städtische Grünflächen und Stadtbäume können dazu beitragen, dieses Risiko zu reduzieren und das Stadtklima zu verbessern.

Blick aus einem Zeppelin auf Rennweg-, Urania-Quartier mit Lindenhof, Sternwarte und Amtshäuser in Zürich.
Bild: Baugeschichtliches Archiv, Juliet Haller, 2015

Text: (EMPA), (ETHZ), (UZH), (UNIBAS)

Die Auswirkungen des Klimawandels werden immer deutlicher: Temperaturen steigen, extremere Wetterereignisse werden häufiger.1 Gleichzeitig erlebt die Welt eine starke Zunahme urbaner Flächen.2 Die weit verbreitete Versiegelung von Oberflächen, die dichte Bebauung und industrielle Aktivitäten beeinflussen nicht nur das globale Klima, sondern auch das lokale Stadtklima.3 In Städten staut sich die Wärme und schafft sogenannte «städtische Wärmeinseln». Dies zeigt sich hierzulande daran, dass Nachttemperaturen in Städten bis zu 5–7 °C höher liegen als im ländlich geprägten Umland.4 Fahrzeugabgase und Industrieemissionen verschlechtern die Luftqualität und tragen zudem erheblich zum Anstieg der Treibhausgasemissionen bei.5 Diese Bedingungen verringern den Komfort und führen zu einem hohen Gesundheitsrisiko der Stadtbevölkerung. Besonders gefährdet sind Menschen mit Herzkreislaufund Atemsystemerkrankungen (siehe Artikel «Der Klimawandel und seine Auswirkungen auf unsere Gesundheit»). Die wachsenden Herausforderungen für Städte, ein gesundes und lebenswertes Umfeld zu erhalten, unterstreichen die Notwendigkeit innovativer und nachhaltiger Stadtentwicklung.

Es gibt keine Einheitslösung

Massnahmen zur Anpassung an den Klimawandel und zur Milderung seiner Auswirkungen in Städten fokussieren oft auf den Ausbau sogenannter blau-grüner Infrastruktur (Vegetationsinseln und Wasserspeicher). Die Erweiterung städtischer Grünflächen ist eine äusserst vielversprechende Möglichkeit, die klimatische, ökologische und soziale Vorteile bietet. So können Stadtbäume lokal die Lufttemperaturen senken und daher die Hitzebelastung für die städtische Bevölkerung reduzieren. Hierbei arbeiten zwei Effekte zusammen: die Kühlung der Luft durch Transpiration und die Reduktion direkter Sonneneinstrahlung durch Beschattung.

Wie effektiv ein Stadtbaum seine Umgebung kühlt, hängt jedoch von unterschiedlichen Faktoren ab. Ein Baum mit grosser Baumkrone kann einen stärkeren Kühleffekt erzielen als ein kleiner Baum. Doch sowohl Transpirations- als auch die Photosyntheseraten variieren stark zwischen verschiedenen Baumarten. Selbst bei derselben Baumart kann sich der Kühleffekt zwischen einzelnen Individuen stark unterscheiden – das ist abhängig vom Alter, Standort und Mikroklima. Studien haben auch gezeigt, dass Stadtbäume die Luftqualität verbessern. Sie können Schadstoffpartikel zurückhalten und reduzieren den CO2-Gehalt in der Luft6 durch Photosynthese und Speicherung von Kohlenstoff in Holz und Boden. Darüber hinaus schaffen städtische Grünräume Naherholungsgebiete, die sich positiv auf die körperliche und geistige Gesundheit der Stadtbevölkerung auswirken.

Damit die Massnahmen im Stadtraum jedoch wirken können, sind eine sorgfältige, nachhaltige Stadtplanung und die Neupflanzung von Bäumen wichtig. Die Massnahmen müssen an das zukünftige Stadtklima angepasst sein. Um eine optimale blau-grüne Infrastruktur zur Verringerung der Hitzebelastung in Städten zu entwickeln, sind innovative Forschungsarbeiten nötig. Dabei müssen auch die Artenzusammensetzung und das Baumalter, das Bodenvolumen und seine Wasserspeicherfähigkeit berücksichtigt werden. Nur so können die genauen Auswirkungen auf den Wasser-, Kohlenstoff- und Energiekreislauf in den Städten erforscht werden. Je nach lokalen Bedingungen können beispielsweise der Wasserverbrauch der Vegetation, die Pollenemissionen und die Artenvielfalt variieren. Eine Einheitslösung für blau-grüne Infrastruktur gibt es nicht.

Das Projekt UrbaNature

Das Projekt UrbaNature hat zum Ziel, die Auswirkungen städtischer Vegetation auf die lokalen Wasser-, Kohlenstoff-, und Energiekreisläufe zu erforschen. Finanziert wird es von MeteoSchweiz im Rahmen der Programme GAW-CH und GCOS-CH (siehe Abschnitte «GAW kurz erklärt» unten und «GCOS kurz erklärt»). Bislang ist zwar bekannt, dass städtische Vegetation ihrer Umgebung vielzählige Vorteile bringen kann. Allerdings ist das Wissen über das Ausmass und die Dynamik der zu Grunde liegenden Prozesse (z. B. Transpiration und Photosynthese) begrenzt. Gleiches gilt für die Wechselwirkungen zwischen städtischer Vegetation und ihrer Umwelt. Ein tiefgreifendes Verständnis dieser Prozesse ist aber entscheidend für eine innovative und nachhaltige Stadtplanung und die Gestaltung effizienter Klimaschutz und Anpassungsstrategien an das zukünftige Klima. UrbaNature geht diese Wissenslücken an, indem es fortschrittliche Technologien und interdisziplinäres Fachwissen von vier Schweizer Institutionen zusammenführt (ETH Zürich, Universität Zürich, Universität Basel und Empa).

Das Projekt kombiniert ökophysiologische und meteorologische Messungen mit modernen Fernerkundungstechnologien und hochauflösender Klimamodellierung. Mit Basel und Zürich als Pilotstädte zielt der interdisziplinäre Ansatz von UrbaNature darauf ab, Wissen und Methoden zu verbessern sowie Werkzeuge für die Überwachung städtischer Vegetation bereitzustellen. Die neuen Ansätze und Methoden sollen zudem auf verschiedene städtische Gebiete angewandt werden können. Die Forschungsergebnisse können so Erkenntnisse für Klimaschutz- und Klimaanpassungsstrategien liefern und die Gestaltung nachhaltiger, widerstandsfähiger und klimaneutraler Städte unterstützen. Das Projekt läuft bis 2027, weiterführende Informationen finden sich online.7, 8

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GAW kurz erklärt

Das «WMO Global Atmosphere Watch» (GAW)-Programm vereint über 100 Länder, um die chemische Zusammensetzung der Atmosphäre mit einem weltweiten Netzwerk von Messstationen (z. B. für Treibhausgase, Aerosole und Strahlung) zu überwachen. GAW-CH-Partnerinstitutionen stellen hierzulande langfristige Beobachtungen der atmosphärischen Zusammensetzung sicher und führen eigene Forschungsprojekte durch. Zudem werden im Auftrag der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) Zentren für Kalibrierung und Qualitätssicherung und eine Stationsmetadatenbank betrieben. Das Swiss GAW/GCOS-Office bei MeteoSchweiz koordiniert das nationale Programm.

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Referenzen

[1] United Nations, Department of Economic and Social Affairs, Population Division (2019). World urbanization prospects: The 2018 Revision. (ST/ESA/SER.A420) New York: United Nations. https://doi.org/10.18356/b9e995fe-en

[2] IPCC. (2022). Climate Change 2022: Impacts, Adaptation and Vulnerability. Contribution of Working Group II to the Sixth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change [H.-O. Pörtner, D.C. Roberts, M. Tignor, E.S. Poloczanska, K. Mintenbeck, A. Alegría, M. Craig, S. Langsdorf, S. Löschke, V. Möller, A. Okem, B. Rama (eds.)]. Cambridge University Press. Cambridge University Press, Cambridge, UK and New York, NY, USA, 3056 pp.,

[3] Oke, T. R., Mills, G., Christen, A., & Voogt, J. A. (2017). Urban climates. https://doi.org/10.1017/9781139016476

[4] Hitze in Städten—MeteoSchweiz. (o. D.). Letzter Zugriff am 27. Mai 2024, von https://www.meteoschweiz.admin.ch/klima/klima-der-schweiz/hitze-in-staedten.html

[5] GAW Report No. 245: An Integrated Global Greenhouse Gas Information System (IG3IS) Science Implementation Plan. Letzter Zugriff am 27. Mai 2024, von https://library.wmo.int/doc_num.php?explnum_id=10034

[6] Akbari, H. (2002). Shade trees reduce building energy use and CO2 emissions from power plants. Environmental Pollution, 116, 119-126. https://doi.org/10.1016/s0269-7491(01)00264-0

[7] Universität Basel. (2023). UrbaNature. Departement Umweltwissenschaften. https://duw.unibas.ch/de/forschungsgruppen/atmosphaerenwissenschaften/unsere-forschung/urbanature/

[8] Swiss GAW GCOS Office. Federal Office of Meteorology and Climatology MeteoSwiss. https://www.meteoswiss.admin.ch/about-us/research-and-cooperation/programmes-gaw-ch-and-gcos-ch/gaw-ch-and-gcos-ch-supported-activities.html

Das Zürcher Arboretum bietet der Stadtbevölkerung ein beliebtes Naherholungsgebiet.
Das Zürcher Arboretum bietet der Stadtbevölkerung ein beliebtes Naherholungsgebiet.Bild: Baugeschichtliches Archiv, Thomas Hussel, 2016

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