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Welche weitere Ansätze unterstützen Forschung zu Nachhaltigkeitstransformationen?

Literatur und eine Umfrage bei Schweizer Forschenden zeigen, dass Ansätze der Nachhaltigkeitsforschung, der transdisziplinären Forschung, der Aktionsforschung sowie der Innovationsforschung besonders nützlich sind, um Nachhaltigkeitstransformationen zu untersuchen.

Nachhaltigkeitsforschung

Die Nachhaltigkeitsforschung arbeitet mono-,multi-, inter-, und transdisziplinär und deckt sowohl Grundlagenforschung als auch anwendungsorientierte Forschung ab. Sie erarbeitet solide Kenntnisse über sozialökologische Systeme auf lokaler bis globaler Ebene und über die Auswirkungen des menschlichen Handelns. Dabei verhandelt sie auch oft Fragen zur intergenerationellen Gerechtigkeit. Mit den Sustainable Development Goals der UNO verfügt die Nachhaltigkeitsforschung über international ausgehandelte Ziele (Zielwissen).

Wir verstehen Transformationsforschung und transformative Forschung, die sich mit Veränderungen hin zu Nachhaltigkeit befassen, als Teil einer vielseitigen Nachhaltigkeitsforschung. So umfasst Nachhaltigkeitsforschung auch technische Grundlagenforschung, beispielsweise zu Energieeffizienz oder rezyklierbaren Materialien, bei der gesellschaftliche Transformationsprozesse oft nicht im Fokus stehen.

Lesetipp:

Messerli, P., Kim, E. M., Lutz, W., Moatti, J. P., Richardson, K., Saidam, M., Smith, D., Eloundou-Enyegue, P., Foli, E., Glassman, A., Licona, G. H., Murniningtyas, E., Staniškis, J. K., van Ypersele, J. P., & Furman, E. (2019). Expansion of sustainability science needed for the SDGs. Nature Sustainability 2019 2:10, 2(10), 892–894.
https://doi.org/10.1038/s41893-019-0394-z

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Steuerungsgruppe Nachhaltigkeitsforschung

Transdisziplinäre Forschung

Die transdisziplinäre Forschung kombiniert Methoden und Ontologien verschiedener Disziplinen und bezieht Wissen, Erfahrungen und Perspektiven verschiedener Akteur:innen in die Forschung mit ein. So wird das zu untersuchende Problem in einem kollaborativen Austausch gemeinsam strukturiert und Forschungsfragen werden formuliert. Auch während der Problemanalyse werden verschiedene Perspektiven bzw. Kompetenzen eingesetzt. Ergebnisse werden gemeinsam im Hinblick auf gesellschaftliche und wissenschaftliche Wirkungsweisen diskutiert. Viele transdisziplinär Forschende verfolgen das Ziel, neben Systemwissen auch Ziel- und Transformationswissen zu schaffen und mit relevanten Anspruchsgruppen (ausserhalb des Wissenschaftssystems) zusammenzuarbeiten.

Transdisziplinäre Forschung und transformative Forschung teilen den Anspruch, strukturiert verschiedene Perspektiven einzubinden (und dafür Methoden zu entwickeln), verschiedene Arten von Wissen zu erarbeiten, um gesellschaftliche Herausforderungen anzugehen. Während transformative Forschung meist transdisziplinäre Elemente enthält, gibt es Transformationsforschung – z.B. historische Analysen von Transformationsprozessen –, die gut ohne Transdisziplinarität auskommt.

Lesetipps:

Netzwerk für Transdisziplinäre Forschung (td-net): Was ist Transdisziplinarität?
https://transdisciplinarity.ch/de/transdisziplinaritat/was-ist-td/

Schneidewind, U., Singer-Brodowski, M., & Augenstein, K. (2016). Transformative Science for Sustainability Transitions. In H. G. Brauch, Ú. Oswald Spring, J. Grin, & J. Scheffran (Eds.), Handbook on Sustainability Transition and Sustainable Peace (pp. 123–136). Springer International Publishing.
https://doi.org/10.1007/978-3-319-43884-9_5

Stauffacher, Michael (2020). Wege zu einer nachhaltigen Gesellschaft. ProClim Flash 72.
proclim.ch/id/ivpka

Zugang zur Forschungs-Community bei den Schweizer Akademien:
Netzwerk für Transdisziplinäre Forschung (td-net)

Aktionsforschung

Aktionsforschung (Action Research) hat eine lange Tradition und wurde bereits praktiziert, bevor Konzepte wie Nachhaltigkeit und gesellschaftliche Transformation aufkamen. Einen Schwerpunkt bilden partizipative Methoden, die helfen sollen, Machtasymmetrien zu reduzieren oder zumindest zu thematisieren. Die Aktionsforschung versucht zusammen mit verschiedenen gesellschaftlichen Akteur:innen, nicht nur Probleme zu identifizieren, sondern auch Lösungen zu erarbeiten. Oft werden dabei marginalisierte Gruppen einbezogen. Die Aktionsforschung kritisiert die positivistischen Sozialwissenschaften und deren angeblich wertfreie Wissensproduktion und reflektiert die Rolle von Wissenschaftler:innen und deren Positionierungen kritisch.

Aktionsforschung und transformative Forschung setzen sich beide mit der Positionierung von Forschenden und mit der Einbindung der «nicht gehörten Stimmen» auseinander. Beide haben den Anspruch, nicht nur zu analysieren, sondern auch Lösungen zu entwickeln. Es besteht somit eine grosse Schnittmenge zwischen Aktionsforschung und transformativer Forschung, wobei sich Aktionsforschung jedoch nicht per se auf Transformationen fokussiert, sondern z.B. auch auf Pädagogik und Didaktik. Die Schnittmenge mit der Transformationsforschung ist kleiner, da diese vor allem Zusammenhänge beschreibt und analysiert und weniger auf die Lösungsfindung ausgerichtet ist.

Lesetipp:

Bradbury, H., Allen, W., Apgar, J. M., Babüroğlu, O. N., Bishop, K., Etmanski, C., Leahy, M. J., Lifvergren, S., Nicolaides, A., Pór, G., Smith, S., Teehankee, B., Uldall, B., Waddell, S., & Zandee, D. (2017). Cooking with Action Research: Stories and Resources for Self and Community Transformation. AR+ Action Research.

Hörtipp:

The Action Research Podcast (2020): What is Action Research? Episodes 1-3.
​https://the-action-research-pod.captivate.fm/

Forschung zu (sozialen) Innovationen

Die Innovationsforschung untersucht u.a., wie eine Idee Fuss fasst (Nische) und für eine Gesellschaft handlungsleitend (Mainstream) wird. Für gesellschaftliche Transformationsprozesse sind dabei – neben technologischen Innovationen – die sozialen Innovationen besonders relevant. Forschung zu sozialen Innovationen untersucht die Entstehung und Verbreitung neuer sozialer Praktiken, die bisherige Prozesse, Ressourcennutzungen und Verhaltensweisen in Frage stellen und positiv beeinflussen. Soziale Innovationen sollen so die Wohlfahrt und das Wohlergehen von bestimmten Communities oder Individuen verbessern.
Neuere vom Konzept der sozialen Innovation inspirierte Ansätze untersuchen im Kontext von Transformationen die «Seeds of Good Anthropocenes» sowie «Exnovationen».

Eine Schnittmenge zwischen Transformationsforschung und Innovationsforschung ergibt sich dadurch, dass Innovationen als Treiber von Transformationen verstanden werden.
Neben dem Teil der Innovationsforschung, der Innovationstheorien entwickelt, untersucht die Forschung zu sozialen Innovator:innen (Start-ups, soziale Unternehmen, NGOs) oft die praktische Umsetzung. Hier vermuten wir eine Schnittmenge zwischen transformativer Forschung zu Change-Makern und Forschung zu sozialen Innovator:innen, welcher es weiter zu erschliessen gilt.

Lesetipps:

Bornemann, B., Bergman, M., Ejderyan, O., Fritz, L., Kläy, A., & Wäger, P. (2022). Innovations for the sustainability transformation: Conceptual cornerstones of the saguf working group INSIST. GAIA - Ecological Perspectives for Science and Society, 31(3), 182–184.
https://doi.org/10.14512/gaia.31.3.10

Moore, M.-L., Riddell, D., & Vocisano, D. (2015). Scaling Out, Scaling Up, Scaling Deep: Strategies of Non-profits in Advancing Systemic Social Innovation. Journal of Corporate Citizenship, 58.
www.jstor.org/stable/jcorpciti.58.67

Howaldt, J., & Schwarz, M. (2017). Die Mechanismen transformativen Wandels erfassen: Plädoyer für ein praxistheoretisches Konzept sozialer Innovationen. GAIA - Ecological Perspectives for Science and Society, 26(3), 239–244.
https://doi.org/10.14512/gaia.26.3.6

Franz, H.-W. (Hrsg. ), Beck, G. (Hrsg. ), Compagna, D. (Hrsg. ), Dürr, D. (Hrsg. ), Gera,(Hrsg. ), & Wegner, M. (Hrsg. ). (2020). Nachhaltig Leben und Wirtschaften. Management Sozialer Innovationen als Gestaltung gesellschaftlicher Transformation. VS Verlag für Sozialwissenschaften.

Pereira, L. (2021) Imagining Better Futures Using the Seeds Approach. Social Innovations Journal, 5, https://socialinnovationsjournal.com/index.php/sij/article/view/694

Zugang zur Forschungs-Community bei den Schweizer Akademien:
Arbeitsgruppe Innovation for Sustainability Transformation der Schweizerische Akademische Gesellschaft für Umweltforschung und Ökologie (saguf)

Diese Webseite wurde zuerst auf Deutsch - mit Bezug auf Diskurse in Deutscher Sprache (u.a. «Welt im Wandel», WGBU 2011) - verfasst, und dann auf Französisch und Englisch übersetzt. Lesen Sie mehr über die Verwendung des Begriffs 'Transition', insbesondere im Französischen, hier:

Weitere Begriffsklärungen

Abbildung 2: Drei Arten von Wissen für eine nachhaltige Entwicklung: System-, Ziel- und Transformationswissen. (ProClim Flash 72)
Bild: ProClim (1997), angepasst 2020 durch Hannah Ambühl, ProClim/SCNAT

Systemwissen wird als Wissen über das aktuelle System oder Problemsituation definiert. Es handelt sich hauptsächlich um analytisches und deskriptives Wissen.

Zielwissen ist das Wissen über die wünschenswerte Zielzustände und die Werte, die die Richtung vorgeben, in die es gehen soll. Es wird von verschiedenen gesellschaftlichen Akteuren erwogen und basiert auf Werten und Normen.

Transformationswissen befasst sich mit der Frage, wie man vom aktuellen Zustand zum Zielzustand gelangt. Dazu gehört auch die Festlegung konkreter Strategien und Schritte, die zu unternehmen sind.

Unter Change-Maker verstehen wir Akteur:innen, die Transformationsprozesse initiieren, antreiben oder fördernd begleiten.


Beispiele für Change-Maker sind Gemeindebehörden und andere staatliche Institutionen, Vertretende der Zivilgesellschaft wie beispielsweise Sozialunternehmungen oder Quartiervereine, wirtschaftliche PionierInnen oder andere transformativ wirkende wirtschaftliche Akteur:innen, etc.

Prägende Ansätze für Forschung zu Nachhaltigkeitstransformationen
Prägende Ansätze für Forschung zu NachhaltigkeitstransformationenBild: Platform Science & Policy