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GCOS Schweiz stellt vor – Unsere Schweizer Gletscherbeobachtung

ProClim Flash 69

Gletscherbeobachtungen haben in der Schweiz eine lange Tradition und bilden einen wichtigen Bestandteil von GCOS Schweiz – dem Schweizer Klimabeobachtungssystem. Aber wie beobachtet man Gletscher? Das Swiss GCOS Office begleitet den Glaziologen Matthias Huss auf einer Gletschermesskampagne.

GCOS Schweiz stellt vor – Unsere Schweizer Gletscherbeobachtung
Bild: ProClim

Matthias Huss erwartet mich bereits, als ich um 6 Uhr früh am Zürcher Hauptbahnhof in den ersten Zug in Richtung Wallis steige. «Clara», stelle ich mich vor, «Mitarbeiterin des Swiss GCOS Office». Einen Händedruck, zwei Züge, eine Standseilbahn, einen Bus, zwei Gondeln und einen kurzen Fussmarsch später stehen wir vor dem Glacier de la Plaine Morte. Matthias Huss hat dieses spezielle Gefühl geschildert, welches einen beim ersten Schritt vom warmen Fels auf das kalte Eis durchfährt. Wenn ich ehrlich bin, muss ich mich in diesem Moment aber mehr darauf konzentrieren, das Gleichgewicht nicht zu verlieren. Wir sind schwer bepackt mit Seil, Klettergurt und Steigeisen, die meterlangen Bohraufsätze und Kunststoffstangen haben nicht in die Rucksäcke hineingepasst. Im April und September sind solche Morgen in der Gletscherbeobachtung, wie sie Matthias Huss betreibt, an der Tagesordnung. In diesen Monaten werden nämlich die Messungen durchgeführt, mit denen die Massenbilanz der Gletscher ermittelt wird. Hierbei wird die Massenzunahme über den Winter mit dem Massenverlust über den Sommer verglichen. Die Massenbilanz ist eine der Messgrössen, welche als Teil des globalen Klimabeobachtungssystems – kurz GCOS – Gletscher beschreiben. Gletscher zählen nämlich gemäss GCOS zu den essentiellen Klimavariablen, die mithelfen, das Klimasystem als Ganzes zu beschreiben. Deren Veränderungen beeinflussen beispielsweise unser Landschaftsbild und den Wasserhaushalt, und sie können Ausgangspunkt von Naturgefahren sein. In der Schweiz erfolgt die Gletscherbeobachtung im Rahmen von GLAMOS, dem Schweizerischen Gletschermessnetz, das durch die ETH Zürich und die Universitäten Zürich und Freiburg betrieben wird. Die Messungen werden durch Forschende dieser Hochschulen, sowie von Privaten und den kantonalen Forstämtern durchgeführt.

Die Beteiligung der Forstämter sei historisch gewachsen, erzählt mir Matthias Huss, während wir uns den sichersten Weg über den Gletscher suchen. Vor über hundert Jahren interessierte sich unter anderen der damalige Oberforstinspektor J. W. Coaz für Gletscherveränderungen. Er habe deshalb Förster im ganzen Schweizer Alpenraum beauftragt, die Position der Gletscherzungen zu dokumentieren. So erfolgte der Startschuss der systematischen Beobachtung der Längenänderung, und dies nicht ohne Grund. Damals wie heute beeinflussten Veränderungen der Umwelt die Menschen. Während der Kleinen Eiszeit waren die Gletscher nämlich so weit vorgestossen, dass sie Ackerland verschlangen. Man sagt, die Plaine Morte sei noch viel früher sogar eine fruchtbare Alp gewesen. Kaum vorstellbar, was die zweihundert Meter mächtige Eisschicht unter unseren Füssen alles verbergen könnte.

Mittlerweile sind wir am ersten Messpunkt für die Massenbilanz der Plaine Morte angekommen. Die Kunststoffstange, die Matthias Huss letzten Herbst hier in das Eis gebohrt hat, ragt mittlerweile weit hinaus. Sie ist nicht mehr genug tief verankert und würde wohl während der Schmelze nächsten Sommer umkippen. Also messen wir, wie viel sie herausragt, und setzen eine neue Messstange. Als vor gut hundert Jahren die ersten Massenbilanzen in der Schweiz ermittelt wurden, erforderte dies wohl einiges mehr an Muskelkraft als heute, unterstützt durch den Akkubohrer. Ansonsten hat sich diese Vorgehensweise, ganz im Sinne von GCOS, aber nicht massgeblich geändert. So sind die ältesten Schweizer Messreihen nicht nur beeindruckend lang, sondern sind auch ohne Unterbruch nach der gleichen Methode fortgeführt worden.

Vier Messungen später, um 15 Uhr, verlassen wir die Plaine Morte. Der Messtag ist zwar zu Ende, nicht aber der Arbeitstag von Matthias Huss. Nun folgt nämlich die Öffentlichkeitsarbeit. Auf dem Weg ins Tal möchten zahlreiche Leute von ihm wissen, wie sich der Gletscher über den Sommer gehalten habe und wie lange es ihn denn noch geben würde. Diese Analysen und Prognosen werden Ende Oktober als Medienmitteilung veröffentlicht. Nicht nur die Bevölkerung, sondern auch der World Glacier Monitoring Service erwartet die aufbereiteten Daten bereits. Dieses internationale Datenzentrum mit Sitz an der Universität Zürich verwaltet Messungen von Gletschern aus aller Welt. Zu diesem GCOS Schweiz Partner aber mehr ein andermal.

GCOS kurz erklärt

GCOS steht für «Global Climate Observing System» und ist ein internationales Programm mit der Vision, qualitativ hochwertige Klimabeobachtungen aus der ganzen Welt allen interessierten Nutzern zugänglich zu machen. Das Schweizer Klimabeobachtungssystem – GCOS Schweiz – setzt dieses globale Programm auf nationaler Ebene um. GCOS Schweiz baut auf der Arbeit von 28 Partnerorganisationen auf und wird durch das Swiss GCOS Office am Bundesamt für Meteorologie und Klimatologie MeteoSchweiz koordiniert.

Kontakt:

REFERENZEN

  1. MeteoSwiss (2018) National Climate Observing System (GCOS Switzerland). Update 2018
  2. Fischer M, Huss M, Barboux C, and Hoelzle M (2014) The new Swiss Glacier Inventory SGI2010: Relevance of Using High-Resolution Source Data in Areas Dominated by Very Small Glaciers. doi:10.1657/1938-4246- 46.4.933

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